"Spanien muss unter den Rettungsschirm"

Unionsfraktionschef Volker Kauder spricht endlich Klartext

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Bisher wurden stets von allen Seiten die Berichte dementiert, dass die Bundesregierung Spanien unter den Rettungsschirm dränge. Glaubhaft waren all diese Dementis ohnehin nicht. Angesichts der Haltung der "stolzen Spanier" - auf diese Formel wird das Problem gern reduziert, wie heute auch im rettungsschirm-oder-nicht-spanien-ist-von-falschem-stolz-geblendet/70046575.html: Leitartikel der Financial Times Deutschland (FTD) - hat nun Volker Kauder klare Worte gewählt:

"Ich denke schon, dass Spanien nicht wegen des Landes, sondern wegen der Banken unter den Rettungsschirm muss."

Den Weg, über den EFSF dem spanischen Bankenrettungsfonds FROB direkt die Milliarden zur Rekapitalisierung der abstürzenden spanischen Banken zu geben, hält Kauder für nicht gangbar. Die "Süddeutschen Zeitung" hatte darüber berichtet, dass dies als Kompromiss angepeilt werde, um die spanischen Bankenprobleme zu lösen. Im Gegenzug müsste die spanische Regierung zusagen, die zugrunde liegenden Probleme im Finanzsektor zu beseitigen - notfalls auch durch weitere Fusionen oder die Schließung einzelner Institute.

Da reibt man sich schlicht die Augen. Man sollte annehmen, dass die Beseitigung der gravierenden Probleme im spanischen Bankensektor (die lange bestritten wurden) längst im Zentrum der Bemühungen hätte stehen müssen. Weitere Fusionen bedeuten nur, die Probleme noch zu vergrößern. Die abgestürzte Bankia mit ihrer Muttergesellschaft BFA ist das Ergebnis einer mit 4,5 Milliarden Euro geförderten Fusion von sieben abgestürzten Sparkassen. Statt die Probleme damit zu lösen, wurden sie noch größer. Nun braucht diese Bank insgesamt mindestens 23,5 Milliarden Euro. Aus Sparkassen, die man hätte abwickeln können, wurde ein Institut gemacht, das zu "to big to fail" ist. Dass mit solchen Vorgängen sogar die "Saat für die nächste Krise" gesät werde, hatte vor gut einem Jahr sogar schon der Internationale Währungsfonds (IWF) kritisiert.

Warum die Angst vor der Kontrolle?

Genau mit dieser Logik arbeitet auch die spanische Regierung. So sprach Finanzminister Cristobal Montoro nicht nur von "Herren in den schwarzen Anzügen", die dann kommen würden, um sein Land kontrollieren, sondern erklärte auch, Spanien sei zu groß für eine Rettung. Er rechnete drohend vor, dass Deutschland mit 130 Milliarden Euro und Frankreich mit 110 Milliarden Euro besonders viele spanische Staatsschulden halten: "Wir wissen, wer unsere Auslandschulden hält, und sie wollen sie komplett zurückerhalten." Dahinter verbirgt sich nichts anderes als ein Versuch der Erpressung.

Man sollte sich eher fragen, und offenbar tut das auch Kauder, warum die rechte Regierung in Spanien eine panische Angst vor der Kontrolle und den Prüfern der EU, der Europäischen Zentralbank (EZB) und des IWF hat. Schließlich muss sie auch Portugal und Irland zulassen und auch die Iren vor allem deshalb, weil man Geld für die Bankenrettung brauchte.

Vor allem muss man aber in Spanien konstatieren, dass die Aufsicht im Land vollkommen versagt hat, wenn die viertgrößte Bank unter den Augen der Prüfer abstürzt, nachdem man 4,5 Milliarden an Steuergeldern darin versenkt hat. Dazu saß ein ehemaliger Wirtschaftsminister der nun erneut regierenden Volkspartei (PP) der Bank vor, der die Bilanzen aufgehübscht oder gefälscht hat.

Ist es nicht auch ein dramatisches Armutszeugnis, wenn diese Regierung in nur sechs Monaten die Korrektur der Korrektur der Defizitkorrektur nach Brüssel melden musste. Das Haushaltsdefizit 2011 wurde nun auf 8,91% korrigiert, weil wieder einmal Löcher in den geschönten Bilanzen der Regionen aufgetaucht sind. Zuletzt in den Regionen Madrid und im bankrotten Valencia, die seit vielen Jahren von der Konservativen regiert werden. Einige Regionen haben jahrelang keine Rechnungen mehr bezahlt, besonders stechen erneut die von der PP seit langem regierten Regionen hervor.

All diese Vorgänge zeigen an, dass nicht nur kreative Mittel bei der Bankia zum Einsatz kamen, sondern weit in den Institutionen verbreitet sind. Sollte man nun aber ohne eine geeignete Kontrolle Milliarden in spanische Banken pumpen, wenn die staatliche Aufsicht versagt hat und man den Staat dafür nicht in Verantwortung genommen werden kann, wie es Spanien nun durchsetzen will? Diese Frage sollte sich jeder selber beantworten.

Keine Frage des Stolzes

Es handelt sich, anders als allseits schwadroniert wird, nicht um eine Frage des Stolzes. Es geht nicht um die Frage, wie "Madrids Regierungschef Mariano Rajoy sein leichtfertiges Wahlversprechen, Spanien werde ohne fremde Milliarden auskommen und keine Sparkommissare ins Land lassen, gesichtswahrender brechen" kann, wie es die FTD beschreibt. Auf ein weiteres gebrochenes Versprechen kommt es längst nicht mehr an, nachdem Rajoy praktisch alle zentralen Versprechen schon gebrochen hat.

Der er versprach, keine Steuern zu erhöhen und hat das wie niemand zuvor getan. Er wollte den Kündigungsschutz nicht abbauen und hat ihn praktisch geschliffen. Seine Arbeitsmarktreform wird vor allem dazu genutzt, um besonders billig kündigen zu können. Nicht zuletzt sollte nicht an Bildung und Gesundheit gespart werden, doch genau diese Ressorts müssen nun besonders auf die Sparbremse treten und zehn Milliarden einsparen. Dabei ist das nicht einmal die Hälfte der Summe, die nun in Bankia versenkt werden soll.

Rajoy tut so, als sei seine Zukunft als Regierungschef mit der Frage "Intervención" verknüpft und macht damit Druck auf Angela Merkel, weil sie sich für ihn eingesetzt hat. Doch darüber muss sich die Bundeskanzlerin nun wirklich keine Sorgen machen, der mit absoluter Sitzmehrheit regierende Rajoy wird keinesfalls abtreten und die Opposition hat keine Chance, ihn zu stürzen. Wahlversprechen hin oder her. Man kann Kauder nur unterstützen - wenn Spanien viel Geld will, muss es sich auch die Kontrolle gefallen lassen.