Subtile Zensur

Die kanadische Regierung hat ihren Wissenschaftlern einen Maulkorb verpasst

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Kanada, so meint mancher Einwohner des frankophonen Quebecs, hat ein Identitätsproblem: Die anglophone Mehrheit orientiere sich zu sehr am großen Nachbarn und vergesse darüber die multikulturelle Natur des Staates. Während der Olympischen Winterspiele wurde der Streit kurzfristig auch für die internationale Beobachter sichtbar. Französichsprachige Politiker beschwerten sich darüber, dass die ganze Veranstaltung überwiegend in Englisch abgehalten wurde.

Mag sein, dass sie Recht haben. Auf einem anderen Feld kann man jedenfalls sagen, dass die Kanadier noch eifriger als das Vorbild aus dem Süden ist, und zwar auf dem der Klimapolitik. Kanada hat zwar das Kyoto-Protokoll anders als die USA ratifiziert und wäre damit verpflichtet, im Mittel der Jahre 2008 bis 2012 die Treibhausgasemissionen um sechs Prozent gegenüber dem Basisjahr 1990 reduziert zu haben. Tatsächlich lagen die jährlichen Emissionen 2007 aber noch rund 30 Prozent über dem Niveau von 1990. Einen nicht unwesentlichen Anteil dürfte daran die Energie fressende Praxis haben, den Norden des Bundesstaates Albertas großflächig auf der Suche nach den sogenannten Teersänden zu verwüsten.

Ob da wohl ein Zusammenhang zu Klagen kanadischer Klimawissenschaftler besteht, sie würden in den Medien kaum noch wahrgenommen, nach dem die Regierung Restriktionen für ihre Umwelt-Fachleute beim Umgang mit Journalisten erlassen hatte? Die in Montreal erscheinende Zeitung The Gazette berichtet, dass die konservative Regierung 2007 eine Verordnung herausgebracht hat, wonach Wissenschaftler von Environment Canada (EC) nur noch nach vorheriger Genehmigung interviewt werden dürfen. EC ist in etwa mit dem deutschen Umweltbundesamt vergleichbar, die 6000 Mitarbeiter in 100 Niederlassungen haben jedoch einen weiter gefächerten Aufgabenbereich. Unter anderem gehört auch die Wettervorhersage und Klimaforschung dazu.

Ein von EC erarbeitetes internes Papier, das der Zeitung zugespielt wurde, kommt zu dem Schluss, dass seit dem die Verordnung angewendet werde die Berichterstattung über Klimaforschung vor allem in den wichtigsten Medien des Landes erheblich zurück gegangen ist. Medien, die tagesaktuell berichten wollen, können nicht darauf warten bis ein Interview-Antrag genehmigt ist. 2008 hätten sich die Wissenschaftler gegenüber dem Umweltministerium über den erschwerten Zugang zu den Medien beschwert. Danach sei die Situation eher noch schlimmer geworden und einige Anfragen blieben ganz unbeantwortet.