Kriegsgefahr wächst an türkisch-syrischer Grenze

Türkei beschießt Ziele in Syrien und hat eine Sondersitzung der Nato einberufen

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Während in Aleppo vermutlich syrische Rebellen mehrere Autobomben in einem von Regierungssoldaten kontrollierten Gebiet explodieren ließen, wodurch Dutzende von Menschen getötet und an die hundert verletzt wurden, hat vermutlich das syrische Militär Granaten in die türkische Grenzstadt Akcakale gefeuert und eine Frau und vier Kinder getötet sowie mehrere Menschen verletzt.

Ganz abzuweisen ist aber auch nicht, dass die Granaten von syrischen Rebellen abgeschossen wurden, um den Konflikt zuzuspitzen und die Türkei mit in die Kämpfe hineinzuziehen. Der Bürgermeister behauptete, die syrische Armee habe auf die Rebellen gefeuert und dabei den Ort getroffen. Schon am 28. September war eine Granate in den Ort eingeschlagen. Manche vermuten auch, dass das syrische Regime versuchen könnte, durch Provokationen die Türkei in den Krieg zu ziehen, um so die ganze Region in Brand zu setzen und den Westen gegen die Noch-Beschützer China und Russland in Stellung zu bringen.

Zumindest das ist auch geschehen. Die türkische Regierung hatte schon nach dem Abschuss einer F4-Jets vor der syrischen Küste gedroht, beim nächsten Mal zurückzuschießen. Offenbar war man nun in der türkischen Regierung schnell gewillt, dies nun auch in die Tat umzusetzen. Die türkischen Streitkräfte schossen auf Ziele in Syrien zurück. "Diese Provokationen gegen die Sicherheit der Türkei werden nicht unbeantwortet bleiben", warnte Regierungschef Erdogan. "Wir haben auf den Angriff reagiert und Ziele in Syrien bombardiert." Es habe sich um "Selbstverteidigung" der an der Grenze stationierten Truppen gehandelt, betonte Erdogan, der nicht nur den Rücktritt von Assad fordert und die syrische Opposition offen unterstützt, sondern auch schon lange Druck ausübt, in Syrien zu intervenieren und eine Flugverbotszone einzurichten. Nach der Anatolischen Nachrichtenagentur habe das Militär Ziele mit dem Radar ausgesucht und beschossen.

Gut möglich also, dass die türkische Regierung ihrerseits die Gelegenheit nutzt, um den Konflikt zuzuspitzen. Wie schon beim Abschuss des Flugzeugs forderte die türkische Regierung eine Sondersitzung der Nato. Wird ein Mitgliedsland angegriffen wird, könnte der Bündnisfall eintreten, wären also die übrigen Mitglieder zur militärischen Unterstützung verpflichtet. Möglicherweise will die türkische Regierung das Militär auch über die Grenze vorstoßen lassen, vermuten türkische Medien. Die Nato verurteilte den Vorfall, der eine Verletzung des internationalen Rechts darstelle, am Abend scharf und stellte sich hinter die Türkei.

Der türkische Außenminister Ahmet Davutoglu hat den UN-Sicherheitsrat benachrichtigt und den UN-Generalsekretär Ban Ki-moon angerufen. Er soll erklärt haben, die Geduld der Türkei sei am Ende. Ein Sprecher sagte, der Generalsekretär habe die syrische Regierung aufgefordert, die territoriale Integrität der Nachbarländer zu achten und die Angriffe auf die syrische Bevölkerung zu beenden. Er rufe alle Beteiligten zur Zurückhaltung auf und fordere die Suche nach einer friedlichen Lösung. Der stellvertretende russische Außenminister ruft Syrien und die Türkei zu "maximaler Zurückhaltung" auf. An einem Krieg dürfte auch Russland nicht interessiert sein.