Hessische Piratenpartei gegen Beschneidung von Religionsunmündigen

In einem "virtuellen Meinungsbild" lehnen die Teilnehmer mit 73 Prozent eine Legalisierung der Vorhautentfernung aus Glaubens- und Traditionsmotiven ab

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Eigentlich regelt Artikel 21 des Grundgesetzes, dass die Meinungsbildung innerhalb von Parteien über Abstimmungen erfolgen muss. Bei den meisten Parteien haben sich jedoch informell Abläufe etabliert, bei denen sich die Spitze im kleinen Kreis zu einem Thema abspricht und mit Positionen in die Öffentlichkeit geht, die danach von Parteitagen nur mehr abgenickt werden. Die Piratenpartei tritt mit dem Anspruch an, ohne solch ein heimliches Führerprinzip auskommen zu wollen. Vor allem bei relativ plötzlich in der Medienöffentlichkeit auftauchenden Problem hat diese Haltung allerdings potenziell den Nachteil, dass Piraten von ihren politischen Konkurrenten in Talkshows als positionslos präsentiert werden können.

Um zu aktuellen Fragen schneller eine demokratisch legitimierte Position liefern zu können, hat man bei der hessischen Piratenpartei vor einem knappen Jahr das Instrument des "virtuellen Meinungsbildes" eingeführt. Zeigt sich ein hessischer Pirat der Auffassung, dass ein Thema eine Positionsbestimmung noch vor dem nächsten Parteitag erfordert, dann werden alle anderen Mitglieder seines Landesverbandes via E-Mail darüber informiert. Gleichzeitig sammelt und debattiert man auf einer Diskussionsseite im Wiki der Partei mindestens zwei Wochen lang Argumente für und gegen bestimmte Positionen. Damit ein Ergebnis solch einer Debatte offiziell anerkannt wird, muss eine Position mit Zweidrittelmehrheit angenommen werden. Außerdem müssen sich mindestens zehn Prozent der Mitglieder an der Abstimmung beteiligen.

Das von Jan Schejbal initiierte virtuelle Meinungsbild zur Frage der Beschneidung von Kindern aus religiösen Motiven übersprang diese beiden Hürden mit 34,5 Prozent Beteiligung und 73 Prozent Zustimmung letzte Woche deutlich. Die Position, auf die sich die hessischen Piraten in der Diskussion einigten, unterscheidet sich deutlich von Äußerungen der Spitzen der Union, der SPD, der FDP und der Grünen, die ein Gesetz zur Legalisierung der religiösen Beschneidung von Knaben ankündigten. Bei den hessischen Piraten sieht man dagegen bei der Vorhautentfernung die körperliche Unversehrtheit von Kindern in einem Ausmaß verletzt, das sich weder mit der Religionsfreiheit noch mit der Erziehungsfreiheit der Eltern rechtfertigen lässt.

Erlaubt werden sollen solche Eingriffe laut Schejbal erst ab dem Erreichen des 14. Lebensjahres - wenn Kinder "in der Lage sind, eine selbstbestimmte, informierte Entscheidung zu treffen". Dies gilt auch für schönheitschirurgische Maßnahmen. Lediglich bei medizinisch notwendigen Behandlungen wie der "rekonstruktiven Behandlungen nach Unfällen" und der "Korrektur von Fehlbildungen, die zu psychologischen Problemen führen" sollen solche Operationen nicht als vorsätzliche Körperverletzung bestraft werden.