Kaum im Amt und schon in der Kritik

Hans-Georg Maaßen wurde zum neuen Präsidenten des Bundesverfassungschutzes ernannt

Der folgende Beitrag ist vor 2021 erschienen. Unsere Redaktion hat seither ein neues Leitbild und redaktionelle Standards. Weitere Informationen finden Sie hier.

Hans-Georg Maaßen ist heute Morgen durch das Bundeskabinett zum neuen Präsidenten des Bundesverfassungsschutz berufen worden - eine fragwürdige Entscheidung, die Maaßen 2002 im Zusammenhang mit dem nach Guantanamo verschleppten Murat Kurnaz getroffen hat, holt ihn nun ein.

Dabei sollte, so wurde es der Öffentlichkeit vermittelt, nach den ungeheuerlichen Vorgängen rund um die "Ermittlungen" in Sachen Nationalsozialistischer Untergrund (NSU) der Bundesverfassungsschutz mit seinen Landesämtern gründlich gereinigt werden. Möglicherweise neue Strukturen, Neugliederungen und vor allem: neue, unbelastete Köpfe, die den Mief, den Teile des Verfassungsschutzes zu umgeben scheint, beseitigen. Innenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) verkündigte noch jüngst, dass Reformen den Verfassungsschutz auf Vordermann bringen sollten, doch nun das: Zeit Online berichtete gestern, dass Hans-Georg Maaßen 2002 eine Entscheidung traf, die ihn im Lichte des kühlen Technokraten erscheinen lässt, der als verlängerter Arm der Politik das umsetzt, was politische Entscheidungsträger verlangen - selbst wenn es um Entscheidungen geht, die höchst fragwürdig sind.

Maaßen, der damals Leiter des Referats für Ausländerrecht war, lieferte eine umstrittene juristische Begründung dafür, dass dem nach Guantanamo auf Kuba verschleppten Deutsch-Türke Murat Kurnaz die Einreise in die Bundesrepublik Deutschland verweigert werden konnte. Kurnaz war damals ein türkischer Staatsbürger, der ein unbegrenztes Aufenthaltsrecht in Deutschland hatte. Das Problem: Das Aufenthaltsrecht verfällt, wenn die Person länger als 6 Monate außerhalb Deutschlands ist und sich nicht mit den Behörden in Verbindung setzt. Kurnaz stand also vor einer unlösbaren Situation: Er wurde Ende 2001 bei einer Kontrolle in Pakistan verhaftet, gegen ein Kopfgeld an das US-Militär übergeben und nach Afghanistan gebracht. Von nun an galt er als "Bremer Taliban", wie ihn deutsche Medien betitelten, er wurde als Unterstützer des radikal-islamistischen Terrors eingestuft und in das umstrittene Gefangenenlager der USA nach Guantanamo auf Kuba transportiert.

Schnell stellten die USA fest, dass der vermeintlich dicke Fisch keine Rolle in Sachen Terrorismus spielte und wollten ihn an Deutschland übergeben. Die deutsche Regierung veranschlagte eine Politik der gespaltenen Zunge: Während der damalige Außenminister Joschka Fischer sich einerseits für eine Freilassung des Inhaftierten einsetzte, entschied das Kanzleramt sich zusammen mit dem BND dafür, die Einreise von Kurnaz nach Deutschland abzulehnen. Maaßen arbeitete daraufhin die rechtliche Rahmenbedingungen aus, um die Entscheidung von höchster Stelle juristisch abzusegnen.

Wie Zeit-Online berichtet, wurde Maaßens Rolle im Fall Kurnaz deutlich, als er sich vor dem 2007 eingesetzten BND Untersuchungsauschuss des Bundestages erklären musste. "Es handelt sich um ein Erlöschen kraft Gesetzes... Nicht entscheidend ist, ob der Auslandsaufenthalt freiwillig erfolgt", wird Maaßen zitiert.

Demnach hat Maaßen trotz der Tatsache, dass Kurnaz entgegen jedem deutschen Rechtsverständnis aufgrund einer mehr als dürftigen "Beweislage" "verhaftet" und verschleppt wurde, folglich also gar nicht in der Lage war, den deutschen Rechtsauflagen nachzukommen, diese Sachlage als irrelevant eingestuft.

Deutliche Worte zur Personalie Maaßen findet Wolfgang Neskovic, Vorstandsmitglied der Links-Fraktion und Mitglied im Parlamentarischen Kontrollgremium. Auf seiner Homepage heißt es: "Hans-Georg Maaßen ist genau der Typ Bürokrat und Abwiegler, den der Verfassungsschutz jetzt nicht gebrauchen kann. Das Bundesamt braucht einen Struktur- und Kulturwandel und keinen neuen Präsidenten, der für überkommene Denk- und Verhaltensweisen steht..." Maaßen steht für eine technokratische Unkultur innerhalb der Sicherheitsbehörden, die maßgeblich für die nunmehr aufgedeckten Versäumnisse und Skandale mitverantwortlich ist. Diese Unkultur des Abwiegelns und der trotzigen Rechtfertigung des eigenen Handelns muss aber dringend aufgebrochen werden, wenn ernsthaft eine Reform des Verfassungsschutzes angestrebt wird...

Im BND-Untersuchungsausschuss zu Murat Kurnaz legte er eine haarsträubende und menschenfeindliche Rechtsauffassung an den Tag. So bestand Maaßen darauf, dass die Aufenthaltsgenehmigung des gebürtigen Bremers erloschen sei, da er sich länger als sechs Monate im Ausland aufgehalten habe. Die Tatsache, dass Kurnaz in dieser Zeit von den Amerikanern gewaltsam nach Guantanamo verbracht und dort gefoltert wurde, spielte für Maaßen keine Rolle. Auch nachdem das Verwaltungsgericht Bremen diese abwegige Auslegung im November 2005 zurückwies, zeigte Maaßen sich uneinsichtig."