Kann Obama den Friedensprozess im Nahen Osten neu in Schwung bringen?

Die zweite Amtszeit verschafft dem wiedergewählten Präsidenten neuen Spielraum

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"Das Beste kommt noch", versprach Obama. Welche Impulse mit dieser Ankündigung verbunden sind, was Obama in der zweiten Amtsperiode vorhat, fragen sich nicht nur die amerikanischen Wähler. Der israelische Ministerpräsident Netanjahu hätte Romney lieber im Amt gesehen, daraus machte er keinen Hehl. Entsprechend seine Gratulation, die kühl ausfällt und eine Vorgabe macht, beschwört, was sein soll: "Die strategische Allianz zwischen Israel und den Vereinigten Staaten ist stärker denn je." Im nächsten Satz deutet sich bereits an, dass nun auch Netanjahu im Wahlkampf steht: "Ich werde weiter mit dem amerikanischen Präsidenten Obama zusammenarbeiten, um die Sicherheitsinteressen der israelischen Bürger zu schützen."

Es ist bekannt, dass das Verhältnis zwischen der israelischen und amerikanischen Führung schon bessere Zeiten kannte. Von einer Allianz, die stärker denn je ist, kann keine Rede sein, wenn man sich die Brüche anschaut, die sich gezeigt haben. Netanjahu hat Obama, der Sympathien für die palästinensische Sache offenbart hatte, mehrmals auflaufen lassen.

Mit Nachrichten vom Siedlungsausbau, die Obamas Drängen auf Verhandlungen zwischen der israelischen Führung und Palästinenser Vertretern konterkariert haben. Mit Reden in den USA vor der Aipac, wo Netanjahu unter großem Beifall Positionen vertrat, die Obamas Kurs der Annäherung an palästinensische Positionen als falschen Weg darstellten. Unterschiede zeigten sich auch im Kurs gegenüber Iran. Die Vorsicht Obamas nahm Netanjahu zum Anlass, um sich noch lauter für einen härteren Kurs stark zu machen.

Obama gab Bescheid, dass er mit einer "roten Linie", die die gegenwärtige israelische Regierung gegenüber Iran gezogen haben will, um einen Angriff auf die Atomanlagen zu legitimieren, nicht einverstanden ist. Aus Israel wurde häufiger gestreut, dass man sich auch einen Alleingang vorstellen könne. Vergangene Woche vertrat Netanjahu die Auffassung, dass die Mehrheit der Länder im Nahen Osten nach einem israelischen Angriff erleichtert wäre: "Five minutes after , contrary to what the skeptics say, I think a feeling of relief will spread across the region."

Auch das ist Wahlkampf, man kann daran ablesen, welchen Kurs Netanjahu wahrscheinlich einschlagen wird. Der weichgezeichnete Obama dient im als Antipode, um Schwung für Hardliner-Politik zu holen. Er weiß die Religösen im Land, die in großer Mehrheit für Romney waren, hinter sich.

Aber, den Rissen und Distanzen in der israelisch-amerikanischen Partnerschaft zum Trotz, der Blick auf die faktisch gegebene Situation gibt Netanjahu recht. Obamas politische Prioritäten lagen eindeutig und einseitig auf Seiten Israels. Der Siedlungsbau ging weiter, der palästinensische Wunsch, in der UN als eigenständiger Staat aufgenommen zu werden, scheiterte nicht zuletzt am Einspruch der USA. Von einer relevanten Unterstützung der palästinensischen Seite kann keine Rede sein.

Ob sich daran etwas in der zweiten Amtsperiode ändert? Dass Obamas Handlungsspielraum im langen Wahlkampf aus Rücksicht auf Wählerschaften und einflussreiche Kräfte, die israelische Interessen vertreten, eingeschränkt war, wurde überall angeführt. Hat Obama nun mehr Gestaltungsfreiheit, kann er mehr Druck ausüben, dass der Friedensprozess wieder aufgenommen wird und eine Zwei-Staaten-Lösung wieder zur realistischen Aussicht wird? Will er das?

Ein Interview mit Abbas, das für heftige Reaktionen sorgte, weil er darin andeutete, dass es möglicherweise an der bisher unumstößlichen Rückkehrforderung der palästinensischen Flüchtlinge Verhandlungsspielraum geben könnte, hat eine Tür zu neuen Gesprächen aufgemacht (siehe David Grossman It's time to speak to Abbas). Netanjahu will davon bislang nichts wissen. Obamas politische Reaktion steht noch aus. Am Friedensprozess haben sich schon mehrere US-Präsidenten verhoben - auch wegen der Haltung der Palästinenser -, doch würde ein Fortschritt im Kernkonflikt des Nahen Ostens, eine bessere Aussicht, viel Zündstoff aus der Region nehmen, wo der kriegerische Konflikt in Syrien mehr und mehr in die Nachbarländer getragen wird.