Portugal im Schicksalsjahr

Eine Versteigerung von Staatsanleihen lief gut, doch die wirtschaftlichen Aussichten wurden schlechter

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Die portugiesische Regierung atmet auf, weil der erste Test mit Versteigerungen von Staatsanleihen 2013 am Mittwoch gut gelaufen ist. Bei Ministerpräsident Pedro Passos Coelho keimt Hoffnung auf, das Rettungsprogramm mit 78 Milliarden Euro könne wie geplant im Herbst auslaufen und Portugal könne sich wieder über Kapitalmärkte refinanzieren. Das Schatzamt konnte kurzläufige Anleihen absetzen und die Zinsen gingen zum Teil deutlich zurück. Um 1,2 Milliarden Euro über einjährige Anleihen zu erhalten, mussten noch ein Zins von 1,6 Prozent geboten werden. Im November waren es noch 2,1 Prozent. Bei 18-monatigen Papieren ging der Zins sogar um einen Punkt auf knapp 2 Prozent zurück.

Das von hohen Schulden und wirtschaftlichen Problemen geschüttelte Euroland will demnächst erstmals wieder längerfristigen Anleihen versteigern. Nur mit deutlich längeren Laufzeiten lässt sich testen, ob die Kapitalmärkte dem Land vertrauen. Denn kaum jemand glaubt ernsthaft, dass ein Land unter dem europäischen Rettungsschirm in den nächsten 18 Monaten pleitegeht.

Am vergangenen Freitag hatte das Schatzamt in Lissabon mitgeteilt, dass es langfristige Anleihen bis zu sieben Milliarden Euro begeben würden, wenn dies die Bedingungen am Kapitalmarkt zuließen und sich die Nachfrage am Sekundärmarkt weiter positiv entwickle. Doch musste Lissabon einen Tiefschlag einstecken. Am Sekundärmarkt stieg der Risikoaufschlag am Mittwoch gegenüber Bundesanleihen um vier auf 485 Basispunkte. Damit liegt der Zins für zehnjährige Anleihen deutlich über sechs Prozent. Die kann sich ein Land nicht leisten kann, dessen Schuldenberg die Marke von 120% des Bruttosozialprodukts (BIP) überschritten haben dürfte.

Portugal bekommt das Haushaltsdefizit nicht in den Griff. Obwohl die EU‑Kommission das Defizitziel für 2012 auf 5% angehoben hat, wird es verfehlt. Im dritten Quartal wurde es schon mit 5,6 Prozent angegeben. Dass der Risikoaufschlag stieg, hat mit der Prognose der portugiesischen Zentralbank zu tun, die eine verschärfte Rezession erwartet. Noch im November wurde prognostiziert, das BIP werde 2013 um 1,6 Prozent schrumpfen, nun geht die Zentralbank von 1,9 Prozent aus. Damit wird die Rekordarbeitslosigkeit von über 16 Prozent weiter steigen. Den weiter einbrechenden Binnenkonsum macht die Zentralbank besonders für die Korrektur verantwortlich.

Dafür sind steigende vor allem steigende Steuern verantwortlich. Am späten Montag wurde die Steuertabelle im Gesetzesblatt veröffentlicht, die mit dem neuen Haushalt verabschiedet wurde. Die Einkommenssteuer wird um 30 Prozent angehoben, zudem werden alle Einkommen mit einem Zuschlag von weiteren 3,5 Prozent besteuert. Besonders für geringe und mittlere Einkommen steigt die Steuerlast sehr stark. Mehrere Verfassungsklagen wurden dagegen eingereicht. Zwar hat Präsident Anibal Cavaco Silva das Gesetz unterzeichnet, doch auch er zweifelt an der Verfassungstreue. Silva hat es den höchsten Richtern zur Prüfung vorgelegt, weil er zweifelt, ob die Lasten gleichmäßig verteilt wurden.

Doch nicht nur die Tatsache, dass Haushalten nach früheren Lohnkürzungen und Steuererhöhungen immer weniger Geld zum Konsum bleibt, führt die Zentralbank an. Sie verweist auch auf die weltwirtschaftliche Entwicklung, weshalb die Exporte nicht weiter wie bisher steigen. Sogar in Deutschland, das bisher noch Wachstum verzeichnete, ist das BIP im vierten Quartal 2012 wieder geschrumpft. Destatis geht deshalb nur noch von einem schwachen Wachstum von 0,7% in 2012. Auch im Exportland Deutschland ist nun angekommen, dass man die wichtigsten Handelspartner auf Sparkurs geschickt hat und das Wachstum in den Schwellenländern schwächelt. Viele Länder hatten das Heil in Exporten gesucht, auch in Portugal. Tatsächlich waren die Exporte von Januar bis August 2012 im Vergleich zum Vorjahr noch um zehn Prozent gestiegen. (http://www.heise.de/tp/blogs/8/153217).

Der Internationale Währungsfonds (IWF) hat von Portugal gerade aber neue zusätzliche Sparanstrengungen verlangt, um die Defizitziele zu erreichen, da trotz massiver Anhebung der Steuern die Steuereinnahmen eingebrochen sind. Die portugiesische Regierung hat einen Prüfbericht des IWF veröffentlich, worin gefordert wird, die Gehälter im öffentlichen Dienst und die Renten weiter zu senken, um weitere vier Milliarden Euro einzusparen. Zudem sollen auch die Abfindungen weiter deutlich gekürzt werden, die Betriebe bei Entlassungen bezahlen müssen.

Die neuen Sparforderungen des IWF sind deshalb erstaunlich, da IWF-Chefvolkswirt Olivier Blanchard gerade einen "Rechenfehler" eingeräumt hatte, der erst dazu geführt hatte, dass die drastischen Sparprogramme für Länder wie Griechenland und Portugal entworfen wurden. "Die Prognosen haben das Anwachsen der Arbeitslosigkeit und das Sinken der Binnennachfrage signifikant unterschätzt", hatte Blachard zugegeben. Bekannt wurde damit, dass der harte Sparkurs die Krise weiter verschärft hat. Trotz allem fordert der IWF immer tiefere Einschnitte auch in Portugal, was aber mit einer weiteren Zuspitzung der Rezession, der Arbeitslosigkeit und der Nachfrage verbunden sein dürfte.