Die ETA setzt die Entwaffnung auf die Agenda

Die baskische Untergrundorganisation will den entscheidenden Schritt zur Auflösung gehen

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Es war ein neuer Paukenschlag, mit dem in Spanien außerhalb des Baskenlands kaum jemand gerechnet hat. Nur drei Wochen nachdem baskische Untergrundorganisation ETA erklärte, ihren bewaffneten Kampf gegen Spanien einzustellen, hat sie in einem Interview mit der baskischen Tageszeitung Gara verkündet, die "Entwaffnung auf der Verhandlungs-Agenda" zu haben. Das Gespräch mit zwei Führungsmitgliedern der Separatistenorganisation wurde am Freitag veröffentlicht.

Damit interveniert die ETA nicht mit tödlichen Anschlägen in einen spanischen Wahlkampf. Vor den Parlamentswahlen am 20. November bietet sie eine weitere Geste zur Entspannung an. Noch vor vier Jahren hatte sie mit der Ermordung des sozialistischen Lokalpolitikers Isaías Carrasco versucht, Druck auf Madrid auszuüben. Nun geht sie auf dem Weg der einseitigen Entspannung und Demilitarisierung weiter, wie es auch die linke baskische Unabhängigkeitsbewegung seit langem von ihr fordert. Zu ihr fühlt sich die ETA politisch zugehörig. Nach einer 52-jährigen Existenz zeigt sich die Organisation erstmals zur Entwaffnung und Auflösung bereit.

Damit will sie die am Konflikt beteiligten Staaten an den Verhandlungstisch bringen. Schon die "Internationale Friedenskonferenz" in Donostia-San Sebastian, an der auch der ehemalige UN-Generalsekretär Kofi Annan teilnahm, hatte in der "Erklärung von Aiete" Mitte Oktober Spanien und Frankreich zu Gesprächen "ausschließlich über die Konsequenzen des Konflikts" aufgefordert, wenn die ETA als Vorleistung die Einstellung der bewaffneten Aktivitäten verkünde.

In dem Dialog soll es nach Meinung der ETA nicht nur über die "Zerstörung der Waffen" nach dem Vorbild der irischen Untergrundorganisation IRA gehen. Eine Übergabe der Waffen halten die internationalen Vermittler aus den Erfahrungen mit anderen Friedensprozessen für ausgeschlossen. Im Rahmen der Zerstörung müsse aber auch über die "Rückkehr der Gefangenen und Exilierten" und über die "Demilitarisierung des Baskenlands" gesprochen werden, meint die ETA. Parallel dazu müsse ein Dialog unter allen Parteien, Gewerkschaften und sozialen Organisationen im Baskenland beginnen, um zu einer definitiven Friedenslösung zu kommen. An diesen Gesprächen will sie aber nicht teilnehmen. Dieser Prozess müsse frei von jeglicher Einmischung und Gewalt ablaufen und auch das Recht auf Selbstbestimmung der Basken einschließen.

Bisher hat sich die spanische Regierung unter dem Sozialisten (PSOE) José Luis Rodríguez Zapatero noch zu keiner Geste durchringen können, um den Friedensprozess zu fördern. Alle baskischen Parteien und Gewerkschaften fordern seit Wochen, nicht länger mit Schritten zu warten. Als erste Geste sollten die schwer erkrankten Gefangenen entlassen und mit den Verlegungen der fast 800 Gefangenen aus dem Konflikt ins Baskenland begonnen werden, fordern sie. Die spanischen Gesetze sehen dies ohnehin vor.

Doch Zapatero, der noch in der 2006 und 2007 mit der ETA verhandelte, will alle Entscheidungen der neuen Regierung überlassen. Aller Wahrscheinlichkeit nach wird das die konservative Volkspartei (PP) sein, die zum Beispiel den 2007 gescheiterten Friedensprozess noch aktiv bekämpfte. Deren Spitzenkandidat Mariano Rajoy hält sich angesichts des erwarteten Wahlsiegs alle Türen offen. Er forderte seien Partei auf, "bedachtsam" mit der Situation umzugehen und "unfruchtbare Debatten" zu vermeiden.

Auch für ihn hat sich die Situation mit der neuen Erklärung der ETA verbessert, weil vor allem die Opferorganisationen, die der PP nahe stehen, immer wieder Druck auf Rajoy ausgeübt haben. Sie hatten erklärt, dass ohne Entwaffnung der ETA noch nichts erreicht sei. Nun könnte Rajoy nach dem Wahlsieg den Dialog aufnehmen und als der Ministerpräsident in die spanischen Geschichtsbücher eingehen, der den Frieden gebracht hat.

Zapatero hat diese historische Chance verpasst. Er ist nicht nur mit seiner Wirtschaftspolitik in der Krise gescheitert (http://www.heise.de/tp/blogs/8/150718), sondern er hat auch diese Entwicklung im Baskenland verschlafen. Der PSOE-Kandidat, der ehemalige Innenminister Alfredo Pérez Rubalcaba, kann deshalb aus der Lage im Wahlkampf keine Vorteile ziehen, die er angesichts der Umfrageergebnisse dringend gebrauchen könnte. Denn wie die PP hatte weder die Regierung Zapatero noch die PSOE Vertreter zur Friedenskonferenz entsandt. Damit haben sie die internationalen Vermittler, wie den ehemaligen US-Präsident Jimmy Carter, den britischen und irischen Ex-Premier Tony Blair und Bertie Ahern verstört. Für Frankreich ist der ehemalige Innen- und Verteidigungsminister Pierre Joxe sogar Mitglied der Vermittlergruppe.

Zapateros Vorgehen hat auch zu heftigen Widersprüchen in den eigenen Reihen geführt. So hatte der Präsident der baskischen Sektion der PSOE, Jesus Egiguren, die Madrider Führung scharf kritisiert. Der Druck auf die Partei nimmt nun aber weiter zu, endlich zu handeln. Obwohl nun die nächste Forderung erfüllt ist, spielt die PSOE aber vor den Wahlen auf Zeit. Statt Farbe zu bekennen, fordert der spanische Präsidentschaftsminister Ramón Jáuregui von der ETA nun, sie solle ihre Opfer anerkennen. Er meinte, die ETA versuche mit der Erklärung nur, "eine Prämie bei den Wahlen zu erhalten". Tatsächlich dürfte die Koalition Amaiur, in der die linke Unabhängigkeitsbewegung antritt, für ihren Friedenseinsatz belohnt werden und nun sogar die große Baskisch-Nationalistische Partei als meistgewählte Formation ablösen.