Redundante Technikinfrastruktur gegen Hausdurchsuchungswillkür

Die deutschen Piraten wollen mithilfe ihrer Schwesterparteien in anderen Ländern verhindern, dass staatliche Behörden erneut ihre Kommunikationsinfrastruktur zeitweise stilllegen können

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Am Freitag legten Beamte des Bundeskriminalamtes (BKA) Server der deutschen Piratenpartei still. Begründung dafür war das Rechtshilfeersuchen einer französischen Staatsanwaltschaft, aufgrund dessen man in Darmstadt einen Durchsuchungsbefehl ausgestellt hatte. Wie sich mittlerweile bestätigte, ging es dabei um Vorwürfe, dass Mitglieder des Netzwerks Anonymous auf einer von der Partei betriebenen frei zugänglichen Etherpad-Weiterentwicklung SSH-Schlüssel des französischen Energiekonzerns Électricité de France (EDF) veröffentlichten.

Die Beschlagnahme hatte zur Folge, dass große Teile der Kommunikationsinfrastruktur der deutschen Piratenpartei ausfielen, was diese kurz vor der Bürgerschaftswahl in Bremen, bei der erstmals auch Sechzehn- und Siebzehnjährige mit abstimmen dürfen, als schwere und möglicherweise gegen Artikel 21 des Grundgesetzes verstoßende Benachteiligung wertet. Die Verhältnismäßigkeit der Maßnahme sieht man unter anderem deshalb nicht gegeben, weil dem Bundeskriminalamt eine Durchsuchung auch ohne "Abschalten der gesamten Infrastruktur" möglich gewesen wäre. Erst am Samstag konnte die hard- und Software nach und nach wieder in Dienst genommen werden, weil die Piraten-Admins vorher überprüfen mussten, ob das BKA nicht heimlich Trojaner darauf installierte.

In Anbetracht des Vorfalls, veröffentlichten Sebastian Nerz von der Piratenpartei Deutschland, Denis Simonet von der Piratenpartei Schweiz, Jerry Weyer von der Piratenpartei Luxemburg und Thomas Gaul von den Pirate Parties International eine Erklärung, wonach man eine "redundante Technikinfrastruktur" aufbauen und durch internationale Zusammenarbeit verhindern will, "dass uns staatliche Behörden zum Schweigen bringen". In ihrer Warnung vor Hausdurchsuchungswillkür als Mittel der politischen Unterdrückung erinnerten die Piraten auch an die Behandlung des globalisierungskritischen Netzwerks Attac, das ein Gutachten zum BayernLB-Skandal veröffentlich hatte, worauf hin es der Urheberrechtsverletzung beschuldigt und am 14. April mit einer Razzia konfrontiert wurde.

Allerdings sehen nicht alle politischen Akteure die Piraten als Geschädigte der Serverbeschlagnahme vom Freitag: Jörg Gastmann von der Deutschen Demokratischen Partei (ddp) meinte gestern in Anspielung auf die Medienaufmerksamkeit, die die Durchsuchung hervorrief: "Für eine dermaßen wirksame und auch noch kostenlose Publicity würden wir auch gern unseren Server beschlagnahmen lassen! Wen muss man da beim BKA anrufen?"