Roman Polanski ist wieder frei

Die Schweizer Justiz lehnt den US-Auslieferungsantrag ab

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"Er ist ein freier Mann", sagte die Schweizer Justizministerin Eveline Widmer-Schlumpf heute in einer Pressekonferenz zum Fall Roman Polanski. Die Ablehnung des Auslieferungsantrags seitens der amerikanischen Justiz begründete sie mit "mangelnder Kooperation der USA".

Dem "Nein" der Schweizer Justiz liegt ein Argument zugrunde, das Polankis Anwälte immer wieder geltend machten und das schließlich auch der polnische Filmregisseur Anfang Mai in eigener Sache in mehreren großen Medien veröffentlichte (siehe "Ich möchte nur wie alle anderen behandelt werden"): Er habe seine Gesamtstrafe in dem Fall, der ihm zur Last gelegt wird, bereits abgegolten. Das habe ihm der damals (1977, Einf. d. Red.) zuständige Richter zunächst auch so verstehen lassen:

"Es stimmt, vor 33 Jahren habe ich mich schuldig bekannt und im Staatsgefängnis von Chino, das kein VIP-Gefängnis ist, eine Strafe verbüsst, die eigentlich die Gesamtstrafe darstellen sollte. Als man mich aus dem Gefängnis entliess, änderte der Richter seine Meinung und erklärte, die in Chino verbüsste Haft sei nicht die Gesamtstrafe. Wegen dieses Rückziehers verliess ich damals die Vereinigten Staaten."

Der aktuelle Auslieferungsantrag beruhe auf genau diesem Missverständnis, wonach sich Polanski seiner Verantwortung vor der amerikanischen Justiz entzogen habe, argumentierten Polanski und seine Anwälte unermüdlich. Die Schweizer Justiz schenkte Polanski Glauben. Der Regisseur erwarb sich aufgrund seines makellosen Verhaltens in der Schweiz und auch während des Hausarrests großes Vertrauen, was bei der aktuellen Entscheidung mit hineinspielte, berichtet die NZZ.

Die Einwände Polanski wurden ernstgenommen: Die Schweizer Justizministerin forderte nach Angaben der New York Times von amerikanischen Behörden Aufzeichnungen des zuständigen Staatsanwaltes Roger Gonsun vom Januar dieses Jahres, aus denen hervorgehen soll, ob der Richter 1977 tatsächlich Polanski gegenüber versichert habe, dass dessen Strafe bereits abgegolten war. Sollte dies der Fall sein, so Widmer-Schlumpf, habe der Auslieferungsantrag keine Begründung.

Dem Antrag des Schweizer Justizministeriums wurde von den US-Behörden nicht entsprochen. Als Folge entschied man sich nun dafür, Polanski ab heute mittag freizulassen:

"Weil die USA das Protokoll unter Verschluss behielten, seien Zweifel an der Rechtmässigkeit einer Auslieferung nicht auszuschliessen.In dieser Situation könne die Schweiz den Regisseur nicht ausliefern."

Die Entscheidung traf beim amerikanischen Botschafter in der Schweiz, mit dem sich die Justizministerin intensiv ausgetauscht habe, laut Widmer-Schlumpf auf Verständnis. Es habe keinen Druck aus anderen Ländern gegeben, die Schweiz habe frei entschieden.

Polanski wurde im September letzten Jahres bei der Einreise in die Schweiz festgenommen und im November zum Hausarrest verurteilt.

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