Aufstieg nur für wenige

USA: Mehr Niedriglohnjobs, rückläufige Einkommen, außer bei den obersten 5 Prozent, weitere Verarmung der unteren Schichten. Vor dem heutigen TV-Duell der Kandidaten zeichnen Berichte ein düsteres Bild von der wirtschaftlichen Verfasssung des Landes

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Was ist zu tun angesichts einer Nation, die in den letzten Jahrzehnten ihren Pursuit of Happiness vor allem in der Mehrung des Wohlstands und also im Wachstum suchte und jetzt begreifen muss, dass das Versprechen nur mehr für wenige eingelöst wird? Heute kommt es in den USA zum ersten Fernsehduell zwischen Obama und seinem Herausforderer Romney. Die Wirtschaft und die Arbeitssplätze werden das Haupthema sein. Geht es nach zwei Medienberichten, die gewiss nicht zufällig in diesen Tagen erschienen sind, so sieht die wirtschaftliche Situation der USA trotz der angeblichen Erholung seit 2009 in großen Linien schlimm aus.

So stellt ein Bericht des Finanznachrichtensenders Bloomberg noch einmal deutlich heraus, dass wirklich nur die obersten Happy Few der USA von Einkommenssteigerungen profitiert haben. Beim ganz großen Rest, immerhin über 90 Prozent!, waren die Einkommen dagegen rückläufig.

Maßgeblich dafür íst das Jahr 2011; die Zahlen, auf die sich der Bericht stützt, stammen vom Census Bureau, veröffentlicht im September. Bloomberg spitzt die Verhältnisse möglicherweise etwas zu. Dort heißt es, dass die "Top 1 Prozent" 93 Prozent der Einkommenssteigerungen auf sich vereinigen konnten. Beim (deutschen) Wirtschaftsblog Egghat findet sich dazu die skeptische Anmerkung, dass dies aus dem aktuellen Bericht des Census Bureau nicht so akkurat herauszulesen sei, weil das Zensusbüro im aktuellen Bericht das oberste Prozent nicht einzeln ausweise. Man habe deswegen vermutlich auf Werte des Berichts von 2010 zurückgegriffen, was nicht ganz korrekt sei.

Am großen Bild ändert das aber nichts, bestätigt auch Egghats Analyse. Die Zuwächse konzentrieren sich auf ganz oben, auf die obersten 5 Prozent. Dieser kleine "Lift" nach oben wird kontrastiert durch den Abstieg des durchschnittlichen Haushaltseinkommens (als Maßgabe gilt hier der Medianwert, der Ausreißer weitestgehend nicht berücksichtigt). Der Wert ist seit 1999 um 8,9 Prozent gefallen und seit 2007 um 8,1 Prozent. Der Median beträgt etwa 50.000 Dollar und ist nun auf dem Stand von 1996, so der amerikanische Wirtschaftsautor Jeff Madrick. Am meisten würden die Einkommen in den schwarzen Haushalten fallen. So steht der Aufwährtsbewegung der obersten 5 Prozent die weitere Verarmung in den unteren Schichten gegenüber. Mit rund 46 Millionen Armen, einem Anteil von 15,1 Prozent, ist der höchste Wert seit 1993 erreicht. Der Verarmungsprozess ist deutlich an der Einkommensentwicklung der letzten Jahrzehnte abzulesen.

"Die untersten 20% der Einkommenspyramide konnten 1967 5,6% der Gesamteinkommen auf sich vereinen. Sicherlich schon kein toller Wert. 1982 fiel der Wert erstmals unter 5,0%, 1987 und 4,5%, 1993 unter 4,0% und 2010 unter 3,5%." (Egghat)

In den mittleren Einkommensschichten waren die Anteile am Gesamteinkommen ebenfalls rückläufig. In der New York Books Review, der besonders auf die Angst der amerikanischen Mittelklasse eingeht, wird auf ein besonderes Phänomen aufmerksam gemacht: Die Verstörung darüber, dass die in der Krise verloren gegangenen Arbeitsplätze mit mittlerem Verdienst nur zu einem Fünftel ersetzt wurden, und die neuen Anstellungen vor allem schlecht bezahlte Jobs anbieten ( Our Crisis of Bad Jobs).

Der Abbau von Arbeitsplätzen in den Jahren 2008 bis Anfang 2010 betraf laut einer empirischen Studie, auf die der Artikel verweist, meist Jobs, deren Stundenlohn zwischen 14 und 21 Dollar lag. Nun seien es vor allem "low-end jobs", mit Stundenlöhnen zwischen 7,7 und 13,8 Dollar, welche die meisten Neuanstellungen ausmachen.

Die Aussichten für die Jüngeren, so rechnet der Autor Madrick vor, sind düster: "Wenn man alle zählt, die nach einer Vollzeitstelle suchen und sie nicht bekommen, dann liegt die wahre Arbeitslosenquote nahe an 17 Prozent."