Verfassungsgericht kippt Verbot von Linkskoalition

Die spanische Regierung wollte das Verbot baskischer Linksparteien noch deutlich ausweiten

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Dass die Sonderkammer am Obersten Gerichtshof in Spanien mit einem neuen Parteiengesetz erneut eine linke Wahloption im Baskenland ausgeschlossen hatte, war zu erwarten. Denn das Sondergericht nickte bisher alle Anträge der Verbotsanträge Regierung ab. Doch nun hat erneut das Verfassungsgericht in Madrid den undemokratischen Spruch kassiert, doch erstmals im Fall einer baskischen Formation.

Nun kann die baskische Linkskoalition Bildu, was in der baskischen Sprache für sammeln oder aufbauen steht, an den kommenden Regional- und Kommunalwahlen am 22. Mai teilnehmen. Ganz sauber sind die Wahlen damit aber auch noch nicht, denn über die Parteineugründung der baskischen Linken hat das Verfassungsgericht vor dem Beginn des Wahlkampfs heute noch nicht entschieden. Das Verbot von "Sortu" (Aufbauen) hatten die Sonderrichter ebenfalls erst kürzlich verfügt.

Wäre das Urteil gegen Bildu höchstrichterlich bestätigt worden, wären diese Wahlen noch verzerrter ausgefallen als alle bisherigen im Baskenland seit 2003, nachdem die Partei Batasuna (Einheit) verboten wurde und damit etwa 15% der Wähler keine Wahloption mehr hatten. Seither wurden hunderte Wählerlisten und Parteien ausgeschlossen, weil es sich um "Klone" der Partei gehandelt haben soll. Das hatten die Sonderrichter auch von Bildu behauptet, obwohl in der Koalition auch die sozialdemokratische Solidaritätspartei ( EA) und Alternatiba, eine Abspaltung der Vereinten Linken (IU), kandidieren. Hinter unabhängigen Kandidaten steckten "Strohmänner" von Batasuna, so wurde das Urteil begründet. Bildu solle Batasuna und der Untergrundorganisation ETA "eine Anwesenheit in den lokalen Institutionen" ermöglichen.

Doch dafür fand das Verfassungsgericht keine Hinweise und kippte das Verbot, was ein schwerer Schlag für die Regierung unter Zapatero ist, die das Verbot beantragt hat. Wäre es bestätigt worden, wäre die spanische Verbotspolitik auf Parteien ausgeweitet worden, an deren Distanz zur Untergrundorganisation ETA nie gezweifelt wurde. Sogar im Verbotsurteil stand, dass diese Parteien stets "klar und strikt" die ETA verurteilt haben. Ohnehin haben sich sogar Batasuna und die linke Unabhängigkeitsbewegung allgemein längst von der Gewalt der ETA distanziert und die ETA später sogar zu einer von Friedensnobelpreisträgen überprüfbare Waffenruhe gezwungen.

Die Strohmänner-Argumentation war mehr als kurios. Wurden bisher Verbote meist damit begründet, dass sich auf den Listen Kandidaten befänden, die in den vergangenen 30 Jahren schon einmal legal für die linke Unabhängigkeitsbewegung kandidiert hätten, wurde bei Bildu die Argumentation umgedreht. Weil dies nicht der Fall war, hatte die Sonderkammer geurteilt, Batasuna habe besonderen Wert darauf gelegt habe, saubere Kandidaten zu finden.

Dass hinter dem gesamten Vorgang und Bildu eine Strategie der ETA stehen solle, die angeblich die Gewalt aus "taktischen" Gründen ablehnen lasse, konnten 7 der 16 Sonderrichter nicht nachvollziehen. Schon die Minderheit am Obersten Gerichtshof hielt die deutliche Abkehr der baskischen Linken von der ETA für echt, sah ohnehin keinen Verbotsgrund, da auch Batasuna-Mitgliedern nie die bürgerlichen Rechte entzogen wurden, und hielt das Urteil für verfassungswidrig. Das sah auch eine knappe Mehrheit von 6 zu 5 Richtern am Verfassungsgericht so, womit sich die neue Mehrheit an dem Gericht zeigt. Kürzlich wurden Richter, einst von der rechten Volkspartei (PP) ernannt, ausgetauscht, deren Mandat längst abgelaufen war. Deren Urteile hatten, als sie wesentliche Teile der neuen katalanischen Autonomiestatuten beschnitten, zu scharfen Reaktionen geführt.

Knapp an Neuwahlen vorbei

Die Regierung Zapatero hätte bei einer Bestätigung des Verbots vor einer dramatischen Situation gestanden. Denn die große Baskisch-Nationalistische Partei (PNV), auf deren Stimmen die Regierung Zapatero in Madrid angewiesen ist, wollte nicht mehr tatenlos zusehen, wie auch frühere Koalitionspartner verboten werden. Die PNV schützt Zapatero aber vor Misstrauensanträgen der Konservativen, die seit langem zu seinem Sturz blasen. Sie segnete dafür alle Sparpläne und Reformen ab. Doch Parteichef Iñigo Urkullu drohte, Zapatero könne bei "zukünftigen Initiativen" nicht mehr auf die PNV zählen, denn die Regierung sei für die Lage verantwortlich, weil sie das "Verbot beantragt hat".

In Spanien hätten dann vorgezogene Neuwahlen angestanden und der von Experten prognostizierte Absturz des Landes wäre näher gerückt. Auch politisch hätte sich die Parallele zu den Vorgängen in Portugal und Irland aufgedrängt, wo ebenfalls die Regierungskrisen den Absturz befördert haben. Die wirtschaftliche Situation in Spanien ist mit fünf Millionen Arbeitslosen (mehr als 21%) und einem weiterhin hohen Haushaltsdefizit ohnehin noch fataler als in Portugal. Nach bisherigen Umfragen werden Zapateros Sozialdemokraten, die sich Sozialisten nennen, bei den Wahlen wegen ihres Versagens in der Wirtschaftspolitik heftig abgestraft werden. Nach Katalonien könnten sie alle anderen Regionen verlieren, die Hochburg Andalusien eingeschlossen, womit sich das Ergebnis der Parlamentswahlen in einem Jahr abzeichnet. Zapatero, auch über seine fatale Atompolitik gestolpert, traut sich ohnehin nicht mehr anzutreten.