Droht den spanische Werften nach EU-Entscheidung das Aus?

Ein sozialer Konfliktherd könnte das Pulverfass in Spanien zum Explodieren bringen, da 87.000 Arbeitsplätze in Gefahr sind

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Mit großer Spannung hatten die spanischen Werftarbeiter am Mittwoch nach Brüssel geschaut. Wie erwartet worden war, hat die EU-Kommission entschieden, illegal gewährte Subventionen für den Schiffbau in Spanien müssten zum Teil zurückgezahlt werden. Mit gesenkten Köpfen verfolgten Beschäftigte im baskischen Sestao (bei Bilbao) die Nachrichten. Sie fürchten, wie insgesamt 87.000 Beschäftigte in den spanischen Werften, um ihre Jobs.

EU Wettbewerbskommissar Joaquín Almunia hatte gegen eine breite Protestfront der spanischen Regierung, der Regionalregierungen Galiciens, Asturiens und des Baskenlands und der Gewerkschaften seine Position behauptet. Spanien muss Steuererleichterungen zurückfordern, die "Investoren" gewährt wurden. Weder "Reedereien noch Werften" seien betroffen, erklärte Almunia ausdrücklich auf Spanisch. Normalerweise erklären sich EU-Kommissare auf Englisch oder Französisch: "Die spanische Regierung muss nun bestimmen, wer das Geld in welcher Zeit zurückzahlen muss."

Gerechnet wird damit, dass Banken, Großunternehmen und Fonds nun etwa zwei Milliarden Euro Steuern nachzahlen müssen. Die Summe hat sich um etwa ein Drittel reduziert, weil Brüssel nur noch Subventionen zurückfordert, die ab 2007 gewährt wurden, als ein ähnliches Steuersparmodell in Frankreich sanktioniert wurde. Almunia wollte sogar bis ins Jahr 2005 zurückgehen, als das Verfahren gegen Frankreich eingeleitet wurde.

Für Almunia steht die "Zukunft der Werften und der Zuliefererindustrie" nicht vor dem Aus, wovon in Spanien ausgegangen wird. Sie hänge "vom Innovationpotential der Werften und ihrer Kapazität ab, um Kunden und Investoren zu werben". Almunia, der aus Bilbao stammt, ist überzeugt, dass das "gelingen wird". Er verwies auf ein Finanzierungssystem, das seit 2012 in Kraft ist und ausdrücklich den Segen aus Brüssel bekam.

Almudena López del Pozo, Sprecherin des Verbands kleiner und mittlerer Schiffsbauer (Pymar) und kündigte juristische Schritte an. Positiv ist für sie, dass das Finanzministerium in Madrid festlegt, wer welche Summen bezahlen muss. Sie vertraut, dass die konservative Regierung "so weit wie möglich" die Wirkung einer "ungerechten Brüsseler Entscheidung" abfedert, und hofft, dass trotz leeren Staatskassen auf Einnahmen verzichtet wird.

Sie fordert also, erneut in die Trickkiste zu greifen, um die Steuerlast für Großbanken wie Santander oder den Inditex-Konzern so klein wie möglich zu halten. Dabei ist Santander aber solvent und Inditex gehört dem Spanier Amancio Ortega. Der reichste Europäer hat ein geschätztes Vermögen von 57 Milliarden Dollar. Wenn Investoren zur Kasse gebeten werden, würde es sehr schwer, neue Investoren zu finden, um die Arbeitsplätze zu sichern, meint Pymar.

Ob eine spanische Klage beim Internationalen Gerichtshof oder neue Tricks sinnvoll sind, ist fraglich, da die Unsicherheit bleibt, ob Brüssel nicht erneut einschreitet. Schon das bisherige Verfahren hat dazu geführt, dass Bestellbücher der Werften seit zwei Jahren weitgehend leer blieben. Nun ist der Rahmen geklärt, in dem auch andere in Europa Schiffe bauen. Es fiel auf, dass sich der spanische Industrieverband Asime nicht nur beklagte, dass Aufträge nicht nur an Konkurrenten in Asien gingen, sondern auch an solche in Norwegen und Deutschland. Es waren die Niederlande, die den unlauteren Wettbewerb in Spanien angeprangert hatten, weil Schiffe wegen der Steuernachlässe bis zu 30 Prozent billiger gebaut werden konnten.

Werftarbeieter wollen "auf der Straße ihre Arbeitsplätze verteidigen"

Die breite Front, die bisher Brüssel gegenüberstand, ist nun geplatzt. Die Gewerkschaften spielen nun der spanischen Regierung genauso den Ball zu wie Regionalregierungen. Madrid sei verantwortlich, dass bis 2011 die Subventionen gewährt wurden. "Der Staat soll deshalb auch zahlen", meint Carlos Gallego. Er ist Vertreter der Werftarbeitergewerkschaft (CAT) im Betriebsrat in Sestao. Er meint, Investoren würden verschreckt, wenn sie in Spanien Jahre später zur Kasse gebeten würden. Zwar hatte Madrid versucht, den Ball nach Brüssel weiterzuspielen, doch das gelang nicht. Almunia stellte klar, dass von der EU-Kommission nie eine Stellungnahme über das komplizierte "tax lease"-Verfahren gefordert worden war. Erst mit der niederländischen Beschwerde hätte die Prüfung begonnen, sagte Almunia.

Die Beschäftigten der Werften haben angekündigt, angesichts von sechs Millionen Arbeitslosen in Spanien "auf der Straße ihre Arbeitsplätze zu verteidigen". In Bilbao erinnert man sich noch gut an die täglichen Straßenkämpfe zwischen Polizei und Werftarbeitern, als 1984 die Euskalduna-Werft geschlossen wurde. Damals war Almunia Arbeitsminister der Sozialdemokraten in Spanien.

Die kämpferischen Werftarbeiter könnten sich heute aber zu einem großen Problem für eine konservative Regierung entwickeln, die ohnehin wegen eines Schmiergeldskandals wankt. José Pedro González, Betriebsratschef in Sestao, sagte: "Wir werden keinen Schritt zurückweichen." Die Regierung müsse schnell für die "notwendigen Maßnahmen" sorgen, um den bedeutsamen Sektor zu erhalten, "ohne Gemeinschaftsrecht zu verletzen", und allen Beteiligten Sicherheit garantieren.