Spanien: Schulreform soll spanische Sprache und Kirche stärken

Die spanische Regierung macht erneut der katholischen Kirche erneut deutliche Zugeständnisse, die katalanische und baskische Sprache sollen marginalisiert werden

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Am Mittwoch kam es erneut zum Eklat in Spanien. Die Katalanen reisten erst gar nicht zum Treffen der zuständigen Regionen-Vertreter mit dem spanischen Kultusminister an, um nun über Universitätsreformen zu reden. Antoni Castellà ersparte sich den Weg von Barcelona in die Hauptstadt Madrid, nachdem am Dienstag die katalanische Bildungsministerin Irene Rigau empört das Treffen mit Kultusminister José Ignacio Wert verließ, auf dem dieser mit den Regionen über seine Schulreform reden wollte.

Katalonien sieht auch in der Universitätsreform eine "Aggression". Mit diesen Worten hatte schon Rigau die Schulreform als "nicht verhandelbar" bewertet. Der zuständige Sekretär der Regionalregierung Castellà hat gefordert, den Gesetzesentwurf zur Universitätsreform zurückzuziehen. Es sei ein "direkter Angriff auf die katalanische Sprache und das Autonomiestatut", der das "katalanische Modell für den Hochschulzugang ruiniert".

Nicht nur Katalanen sehen nun mit Taten die umstrittenen Worte des Kultusministers bestätigt. Wert hatte kürzlich angekündigt, katalanische Schüler und Studenten "spanischer machen" zu wollen. Der aggressive spanische Nationalismus soll mit den Bildungsreformen vorangetrieben werden, womit die rechte spanische Volkspartei (PP) den wachsenden Unabhängigkeitsbestrebungen begegnen will. Von einem "Angriff" spricht auch die geschäftsführende baskische Regierung. Die sozialistische Bildungsministerin Isabel Celaá, deren Partei das Baskenland drei Jahre mit Unterstützung der Volkspartei (PP) regierte, nennt die Schulreform "ausgrenzend, rückschrittlich und rezentralisierend". Die Baskisch-Nationalistische Partei (PNV), die nächste Woche wieder die Regierung übernimmt, sieht es ähnlich und spricht von einer "Attacke auf Autonomiekompetenzen und auf die baskische Sprache". Entscheidungen über Bildung und Inhalte sollen wie vor 1975 wieder in Madrid zentralisiert werden, wo über 65 Prozent der Inhalte entschieden werden. Kompetenzen der Autonomien - den deutschen Bundesländern ähnlich – würden damit weiter ausgehöhlt, weshalb Celaá den Gang zum Verfassungsgericht angekündigt hat. Im Baskenland entscheiden die Eltern, ob ihre Kinder vorwiegend auf Baskisch oder Spanisch unterrichtet werden. Und weder die Sozialistin im Baskenland noch die konservative Kollegin in Katalonien hält etwas davon, die Schüler an der Frage der Sprachen zu trennen.

In Katalonien ist das Schulsystem auf Katalanisch ausgelegt. Im Baskenland entscheiden sich die Eltern in den allermeisten Fällen für Baskisch als grundsätzliche Lehrsprache. Deshalb gibt es oft keine Schulen mehr, die Spanisch als Haupt-Unterrichtssprache anbieten. Madrid will aber die Regionen nun verpflichten, Privatschulen zu finanzieren, wenn Eltern auf eine spanische Schulbildung bestehen. Die Basken bezweifeln, dass es um die Verbesserung der Bildung geht. Die Region hat ohnehin eine deutlich niedrigere Quote bei Schulabbrechern als Spanien, das schon vor den harten Sparmaßnahmen in der EU-Spitzengruppe lag. Die Basken kommen insgesamt mit ihrem eigenen Bildungs- und Finanzierungsystem viel besser als Spanien durch die Krise, wie die deutliche niedrigere Verschuldung und Arbeitslosigkeit zeigen.

Stärkung der oft katholischen Privatschulen

Die Privatschulen werden zudem oft von der katholischen Kirche oder der fundamentalistischen Vatikansekte Opus Dei geleitet. Und der hat enormen Einfluss auf die neue Rechtsregierung, was sich auch an diesen Reformen zeigt. So kritisiert auch die andalusische Bildungsministerin Mar Moreno die Reform als "ultrakonservativ". Sie sieht "einen radikalen Schwenk". Wert sei eine "Ehe mit der Kirche" eingegangen und wolle Bildung privatisieren. Sie nannte es auch "anachronistisch", dass der Ethikunterricht geschliffen werden soll. Zudem soll erreicht werden, dass katholische Schulen wieder finanziert werden dürfen, die Jungen und Mädchen trennen. Damit würde gegen höchstrichterliche Entscheidungen verstoßen, die eine Finanzierung dieser Schulen aus Steuergeldern mit Blick auf die Verfassung im August verboten haben.

Es war die Bischofskonferenz, die gefordert hatte, den Ethikunterricht zu schleifen. Dafür soll nun ein Ersatzunterricht für Religion geschaffen werden, in dem versetzungsentscheidend geprüft werden müsse. Für Religion soll das nicht gelten. Die Schüler- und Studentengewerkschaft meint, man wolle Schüler damit in den Religionsunterricht treiben, um die Schule zur "Indoktrinierung der Jugend" zu nutzen. Die Vereinigung sieht Spanien in die Zeit der Diktatur zurückversetzt. Weil es sich um einen weiteren "Angriff auf das öffentliche Bildungswesen" handele, sehen sich die Schüler und Studenten darin bestärkt, nach dem erfolgreichen Streik im Oktober erneut zu drei Streiktagen im Februar nueva-semana-de-lucha-estudiantil-en-defensa-de-la-educacion-publica-del-4-al-8-de-febrero&catid=59&Itemid=85: aufzurufen.

Auch viele Lehrer sehen sich an die dunkle Zeit erinnert, in denen es bis zum Tod des Diktators 1975 verboten war, Baskisch und Katalanisch zu sprechen. Für die katalanische Lehrerorganisation hat die Präsidentin Irene Balaguer erklärt: "Wenn wir dem Franquismus widerstanden haben, werden wir auch Minister Wert widerstehen." Da die katalanische Regierung den schärfsten Angriff seit Jahrzehnten sieht, will sie diese Reformen nicht umsetzen und sich an die eigenen Gesetze halten.