Gauck, Geißler, Papier …

Wen nominieren die Parteien als Bundespräsidentschaftskandidaten?

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Gestern Abend traf sich Angela Merkel mit dem CSU-Vorsitzenden Horst Seehofer und dem FDP-Chef Philipp Rösler, um einen neuen Bundespräsidenten auszusuchen. Heute wird dieses Treffen ab 9 Uhr 30 in größerer Runde fortgesetzt. Weil Schwarz-Gelb in der 1240-köpfigen Bundesversammlung, die diesen Bundespräsidenten wählt, aber nur eine Mehrheit von 2 bis 4 Stimmen hat, machte Merkel bereits vorher der SPD und den Grünen das Angebot, einen "Konsenskandidaten" zu wählen. So einer könnte zum Beispiel der ehemalige Leiter der Stasi-Unterlagenbehörde Joachim Gauck sein, der sich selbst als als "linken, liberalen Konservativen" bezeichnet. Oder der Stuttgart21-Schlichter Heiner Geißler, der sowohl bei der CDU als auch bei Attac Mitgliedsbeiträge zahlt. Helmut Kohls ehemaliger Umweltminister Klaus Töpfer kommt ebenfalls in Frage, weil er sich später bei den Vereinten Nationen ziemlich grün gab.

Aber auch Finanzminister Wolfgang Schäuble wird als Kandidat gehandelt, obwohl er derzeit in Griechenland beschäftigt ist. Verteidigungsminister Karl Ernst Thomas de Maizière, der ebenfalls im Gespräch war, bezeichnete einen Amtswechsel gestern als "abwegig". Die Meldung "de Maizière residiert in Bellevue" hätte zwar die bunten Blätter auf ihrer Seite gehabt, aber als Verteidigungsminister kann der Hugenotte Angela Merkel möglicherweise wertvollere Dienste leisten. Zudem käme die Wahl eines CDU-Regierungsmitglieds ohne besondere soziale oder grüne Meriten beim Wähler möglicherweise als relativ starkes Signal in Richtung einer großen Koalition an, was SPD und Grünen eher nicht recht sein dürfte. Ähnliches gilt für Ursula von der Leyen, die überdies durch ihren Umgang mit der Wahrheit beim "Zensursula"-Gesetz im jüngeren Teil der Bevölkerung kaum als Konsens ankommt und durch die Methoden zum Start ihrer Politkarriere potenziell für eine weitere Demontage des Amtes gut ist.

Insofern müsste von der Leyen eigentlich die Lieblingskandidatin der Piratenpartei sein. Schon zu Wulff hatte deren politische Geschäftsführerin Marina Weisband unlängst im öffentlich-rechtlichen Fernsehen angemerkt, er schiebe den Piraten "die Stimmen in den Arsch". Ein Effekt, der mit gewisser Wahrscheinlichkeit auch bei einer Bundespräsidentin Ursula von der Leyen auftreten dürfte. Trotzdem gibt es in der Piratenpartei, die zwei Vertreter in die Bundesversammlung entsenden darf, bisher noch keine Pläne zu ihrer Wahl – die bei der Zielgruppe wahrscheinlich auch nicht gut ankommen würde.

Stattdessen streitet man sich gerade, ob man den Kabarettisten Georg Schramm nominieren soll (der sich mit seiner Figur des Rentners Dombrowski in eindrucksvoller Weise für das Amt empfahl), oder doch lieber einen Kandidaten, den theoretisch auch die etablierten Parteien mitwählen könnten. Im Gespräch dafür sind die ehemaligen Verfassungsgerichtspräsidenten Jutta Limbach und Hans-Jürgen Papier. Der Blogger Felix von Leitner empfahl der Gruppierung nachdrücklich, nicht naiven Illusionen über die politische Willensbildung anzuhängen und die Gelegenheit lieber für aufklärerische Aktionskunst zu nutzen. Sollte Schramm nicht nominiert werden plädiert er für die skandalös gescheiterte FDP-Europaabgeordnete Silvana Koch-Mehrin, weil diese "eine perfekte Durchschnittsvertreterin der etablierten Parteien und ihrer Werte ist" und "niemand (außer Herrn Wulff, der ja leider verhindert ist) die moralische Integrität und das Leistungsbewusstsein als Kernwerte unseres Landes so würdig vertreten kann wie sie".