"Niemand kann jetzt mehr die Wahrheit verbergen"

"The next Big Lie" wäre der sehr viel größere Schaden. Michael Moore unterstützt WikiLeaks aus friedenspolitischen Erwägungen

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Auch der amerikanische Dokumentarfilmer Michael Moore, bekannt für seine kritische Sicht auf Mainstream-Botschaften und gewürzte Aussagen zur politischen Kultur in den USA, besonders unter der Bush-Regierung (siehe "Ein Kapitalist wird Dir noch den Strick verkaufen, an dem Du ihn dann aufhängst"), hat sich an der Kautionssumme für Julian Assange beteiligt – mit 20.000 US-Dollar. Dazu stelle er seine Website, seine Server, seine Domain-Namen und „anything else“ bereit, um WikiLeaks am Leben zu erhalten, erklärt Moore.

Seine Begründung könnte nicht moorischer sein. Er kontrastiert die Vorwürfe und die Hetzjagd auf Assange samt dazugehöriger Appelle von US-Politikern für die Todesstrafe des Info-Freibeuters mit der friedensbringenden Mission des Enthüllungsportals. Moore dreht die Argumente um: Während die US-Regierung darauf insistiert, wie groß der Schaden ist, den die WikiLeaks-Veröffentlichungen anrichten (weswegen die US-Airforce neuerdings ihren Angehörigen verbietet, die New York Times zu lesen), macht Moore deutlich, welche sehr viel größeren Schäden die Arbeit von WikiLeaks verhindern kann, bzw. verhindern hätte können. Die Leaks würden die Öffentlichkeit davor bewahren, sich für dumm verkaufen zu lassen und künftig Lügen aufzusitzen, wie sie etwa in der Vorbereitung des Irak-Kriegs gezielt gestreut wurden. Dies sei nur möglich gewesen, weil die Akteure ihre Absichten hinter einem "garantierten Deckmantel von Geheimnissen" verbergen konnten. Diese Garantie würde durch WikiLeaks in Frage gestellt, damit gebe es eine Hoffnung darauf, dass "sie nie wieder derart im Geheimen operieren können":

"No one can hide from the truth now. No one can plot the next Big Lie if they know that they might be exposed."

Darauf, dass es einen Zusammenhang zwischen der Information der Öffentlichkeit und der Vermeidung von Konflikten gibt, kamen auch schon Beobachter vor Moore. Der prominenteste darunter ist der amerikanische Präsident und Friedensnobelpreisträger Woodrow Wilson, in dessen 14-Punkte-Programm das Verbot der Geheimdiplomatie enthalten ist:

"There shall be no private international understandings of any kind but diplomacy shall proceed always frankly and in the public view."

Der Geheimdiplomatie wurde 1919 eine wichtige Rolle am Ausbruch des 1. Weltkriegs zugeschrieben. Umso seltsamer ist es, dass deutsche Journalisten Anfang des 21. Jahrhunderts zu glauben scheinen, genau solch' eine Geheimdiplomatie wäre zur Aufrechterhaltung des Friedens nötig.