Das Spiel mit Fukushima geht weiter

Tepcos Präsident tritt zurück, der Konzern geht der Pleite entgegen, die Regierung ist weiter hilflos

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Während immer neue Schlampereien und Verschleierungen bei Tepco, dem Konzern, der die havarierten Reaktoren in Fukushima betreibt, zu Tage kommen, hat nun der dafür verantwortliche Präsident Shimizu angekündigt, im Juni zurückzutreten. Er hatte sich nach der Katastrophe erst einmal als krank zurückgezogen und dem Unglück seinen Lauf gelassen.

Trotz Warnungen hatte Tepco keine Vorkehrungen vor stärkeren Erdbeben und Tsunamis getroffen, Sicherheitssysteme nicht gewartet und vor allem nach dem Unglück die Öffentlichkeit unzureichend informiert sowie demonstriert, in keiner Weise auf die Bewältigung eines Ernstfalls vorbereitet gewesen zu sein. Die Ausrede, dass der unvorhergesehen große Tsunami die Kühlsysteme außer Kraft gesetzt habe, wurde widerlegt. Es stellte sich heraus, wie Tepco inzwischen einräumen musste, dass diese bereits in Folge des Erdbebens ausgefallen waren und dass zumindest in Block 1 bereits am Tag nach dem Erbeben eine vollständige Kernschmelze eingetreten ist.

Tepco meldet nun aufgrund des Unglücks einen Verlust von 15 Milliarden US-Dollar und will Eigentum verkaufen, um Entschädigungen in Höhe von 7 Milliarden Dollar zahlen zu können, für die allerdings erst einmal der Staat einspringen muss. Vermutlich dürfte der Konzern, dessen Aktien 80 Prozent ihres Werts seit der Katastrophe verloren haben, aber in die Pleite gehen und verstaatlicht werden. Völlig unklar ist, ob und wann die evakuierten Menschen wieder in ihre Heimat zurückkehren können und wie lange es dauern wird, die Reaktoren zumindest so zu sichern, dass keine Radioaktivität mehr austritt. Das wird nicht Monate benötigen, wie Tepco für einen "cold shutdown" in Aussicht gestellt hat, sondern Jahre.

Auch der angeschlagene Regierungschef Kan hält daran fest, dass Fukushima spätestens bis Mitte Januar stabilisiert werden kann. Ab diesem Zeitpunkt werde dann praktisch keine Radioaktivität mehr freigesetzt. Dann könne gesagt werden, wann die Evakuierten wieder in ihre Heimat zurückkehren können. Interessant ist hierbei, dass Tepco auch schon einmal kurz nach dem Unglück am 15. März verkündet hatte, alle vier havarierten Reaktoren seien in den stabilen Zustand (cold shutdown) versetzt worden.

Zwar will die Regierung angeblich die Sicherheitskontrollen der AKWs verstärken, die Atomaufsichtsbehörde aus dem Wirtschaftsministerium herausnehmen und die Monopole der Energiekonzerne zerschlagen, aber prinzipiell soll weiter an der Atomenergie festgehalten und diese sogar ausgebaut werden, falls für größere Sicherheit gesorgt wird. Schon allein die Entsorgung der mittlerweile 90.000 Tonnen radioaktiv verseuchten Wassers, das sich in den Blöcken und um sie herum angesammelt hat, bereitet große Probleme. Wie alle anderen Staaten hat auch die Atomnation Japan noch kein Endlager. Darüber will man sich offenbar in der Regierung nicht den Kopf zerbrechen, schließlich geht es dabei nicht nur um einen Standort im erdbebengefährdeten Land, sondern auch wieder um viel Geld, das das in die Rezession gekippte Japan nicht hat.

Noch immer hofft der Konzern offenbar darauf, die Blöcke 5 und 6 wieder in Betrieb nehmen zu können und nur die Blöcke 1-4 endgültig stilllegen zu müssen. Immerhin verzichtet der Pleitekonzern nun volltönend darauf, zwei weitere Blöcke im AKW Fukushima zu bauen, wie dies nach dem Plan der Regierung gemacht werden sollte, die vor dem Unglück die Atomenergie massiv ausbauen wollte.

In Block 1 ist die Kernschmelze eingetreten, wie Tepco kürzlich nach einer ersten Begehung einräumen musste, in den anderen hat man immer von einer teilweisen Kernschmelze gesprochen, es kann sich aber auch dort eine vollständige Kernschmelze ereignet haben. Die Lage ist weiterhin hoch riskant. Die Gefahr besteht etwa, dass das Material sich durch den Reaktorboden arbeitet und das Grundwasser weiter verseucht. Probleme machen auch alle Kühlbecken. Im Gebäude von Reaktor 3 wurden heute Werte bis zu 170 mSv pro Stunde gemessen. Gegenüber Tschernobyl ist Fukushima mit 4 havarierten Blöcken und 6 Kühlbecken mit Tausenden von Brennelementen ein wesentlich größerer und damit auch teurer Brocken.

Die japanische Regierung hat lange das Spiel mit Tepco und der Atomlobby mitgemacht, weil diese eng mit Regierung und Behörden verwoben ist, was vorerst so zu bleiben scheint. Nun kritisierte Regierungssprecher Edano zwar leise, dass Tepco die Regierung schon von Beginn an nicht korrekt informiert habe. So habe das Krisenzentrum der Regierung am 12. März die ersten Daten über die wahrscheinliche Verbreitung der Radioaktivität nicht erhalten, was auch Auswirkungen auf die Evakuierungspläne gehabt habe. Das aber ist wohl keine wirklich Abkehr, sondern nur als Versuch zu verstehen, die Regierung und vor allem Regierungschef Kan von Tepco ein wenig zu distanzieren, da sie ebenfalls schwer an Vertrauen durch das schlechte Krisenmanagment und die Verschleierungstaktik eingebüßt haben. Die Regierung hatte zunächst den Menschen, die in einem Umkreis von 20 km um Fukushima lebten, nur empfohlen, in ihren Häusern zu bleiben.