Syrien verbietet Gesichtverschleierung an Schulen und Universitäten

Laut zuständigem Minster ist der Nikab nicht kompatibel mit den Werten und der Ethik akademischer Traditionen

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Ohne großes öffentliches Aufsehen hat die syrische Regierung eine Verfügung erlassen, wonach die Gesichtsverschleierung an öffentlichen Universitäten in Syrien verboten ist. Als verantwortlich für die Maßnahme wird der Minister für "höhere Bildung", Ghaith Barakat, zitiert, der laut Nachrichtenagentur Sana, die Gesichtsverschleierung durch den Nikab als nicht kompatibel mit den Werten und der Ethik akademischer Traditionen bezeichnete. Nach Angaben des CBS-Journalisten George Baghdadi mussten 1 200 Lehrerinnen, die Burka tragen, ihre Arbeit aufgeben; manche konnten auf Posten mit weniger Öffentlichkeit wechseln. Die Verfügung wurde in Online-Foren kontrovers diskutiert.

In der öffentlichen Diskussion wird sie aber auch als nachvollziehbarer Schritt gewertet, der sich gegen ein Phänomen wendet, das von manchen als "Renaissance des Religiösen", bzw. als Vorbote eines religiösen Extremismus gesehen wird. In Syrien hat die Herrscherfamilie al-Assad sowie die Baath-Partei sehr darauf geachtet, dass der Islamismus wenig Möglichkeiten zur Entfaltung hat. Syrien sollte ein Land der säkularen Muslime sein, in dem der politische Islam keine Chancen hat. Das wurde auf sehr blutige Weise vorgeführt, als der Vater des gegenwärtigen Präsidenten Baschir, Hafiz a-Assad, 1982 in Hama 15 000 Teilnehmer eines Protests der Muslimischen Bruderschaft vom Militär gnadenlos niederschießen ließ.

Seit einigen Jahren wird immer wieder berichtet, dass sich seit dem Irakkrieg und durch eine neue Polarisierung zwischen dem Westen und der muslimischen Welt auch in Syrien die Zeichen einer Rückkehr zur Religiosität mehren und der Islamismus - auch hier fällt des öfteren das Stichwort "Wahabismus" - als Drohung empfunden werde. So kommt es, dass auch Vertreter von zivilgesellschaftlichen Organisationen, wie etwa Bassam Kadi, der Direktor der Frauenrechtsorganisation Syrian Women Observatory das Nein zum Nikab als Kampf gegen ein Symbol des Extremismus werten:

"Der Nikab ist keine syrische Tradition. Es ist ein importiertes Symbol des religiösen Extremismus und widerspricht dem moderaten Islam, den wir hier haben. Wenn eine Frau den Nikab trägt, dann zwingt sie der Gesellschaft eine Haltung auf. Sie äußert eine Setllungnahme. Das ist in der Schule nicht akzeptabel."

Wie Joshua Landis, ein bloggender amerikanischer Politologe in Syrien, der sein Blog zu einem interessanten Forum für syrische Angelegenheiten gemacht hat, berichtet, hat das Verbot von islamischer Kopfbekleidung in Syrien einige Tradition. So waren in den frühen 1980er Jahren sogar die heute weit verbreiteten Kopftücher verboten. Studentinnen sollen sich geweigert haben, diesem Verbot zu gehorchen, das Einschreiten der Polizei auf den Straßen hat zu Protesten der Bevölkerung geführt. Damals sollen aber nur geschätzte 30 Prozent aller Frauen ein Kopftuch getragen haben, 1960 war das Kopftuch noch seltener. Heute tragen nach Beobachtungen Landis' etwa 70 Prozent der Syrerinnen ein Kopftuch. Für das Tragen der Nikab gibt es bislang keine große Unterstützung aus der Bevölkerung.

In Damaskus gehört der Nikab allerdings zum Straßenbild. Die berühmte Ummayyaden-Moschee zieht Touristen aus der ganzen islamischen Welt an.