Rolle rückwärts?

Island wählt die sozialdemokratisch-grüne Regierung ab und bringt die liberal-konservative Koalition zurück an die Macht

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Die Wahlergebnisse der isländischen Parlamentswahl am 28. April 2013 stehen bereits am frühen Nachmittag fest.

Nach Auszählung von 95 Prozent der Stimmen sind die Konservativen und die Liberalen klare Sieger, während die regierenden Sozialdemokraten und Grünen harsche Verluste einfahren. Die konservative Unabhängigkeitspartei wird mit knapp 27 Prozent stärkste Kraft, die liberale Fortschrittspartei verzeichnet den stärksten Zugewinn von fast 10 Prozent und erhält gut 24 Prozent der Stimmen. Die bis heute regierende Koalition von sozialdemokratischer Allianz und Links-Grüner Bewegung wurde dagegen heftig abgestraft und kommt auf kaum mehr als 20 Prozent.

Für ausländische Beobachter ist dieses deutliche Ergebnis überraschend. Nicht nur, dass die Isländer noch 2009 in der "Küchenzeug"-Revolution gegen die damals amtierende konservativ-liberale Regierung rebelliert haben, weil diese als Verursacher der Schuldenexplosion des Landes galt - das Krisenmanagement der daraufhin eingesetzten sozialdemokratischen Premierministerin Johanna Sigurdardottir wurde auch als überraschend erfolgreich bewertet. Viele Medien, darunter auch Telepolis ( "Islands Häresie stellt einen Test der ökonomischen Doktrin da"), haben Islands wirtschaftspolitischen Sonderweg als Zeichen dafür gefeiert, dass die Austeritätspolitik nicht alternativlos ist, und mit Sympathie über die wirtschaftliche Genesung der 2008 noch zahlungsunfähigen Insel berichtet.

Isländische Beobachter führen die starken Verluste der Regierungskoalition darauf zurück, dass die Verhältnisse in Island noch weit vom Vorkrisenniveau entfernt sind. Zudem hat die Koalition auch mit dem Versprechen geworben, den EU-Beitritt zu forcieren, was derzeit wohl nur eine begrenzte Anziehungskraft entfaltet. Darüber hinaus zog die Regierung den Ärger der Wähler auf sich, indem sie die Abstimmung über die weit über die Landesgrenze hinaus gewürdigte "Crowdsourcing-Verfassung" verzögerte, wodurch diese vorerst als gescheitert zu betrachten ist.

Die heutige Parlamentswahl zeigt aber auch, dass die isländische Politik in großer Bewegung ist. Während 2009 die vier stärksten Parteien noch gut 90 Prozent der Stimmen eingeheimst haben, entschieden sich jetzt nur noch knapp 75 Prozent der Isländer für sie. Dafür schafften gleich zwei neue Parteien auf Anhieb den Einzug ins Parlament: Die aus der Spaßpartei "Beste Partei" hervorgegangene Partei "Glänzende Zukunft" sowie die Piraten.