Nuklear aufgerüsteter Iran "positiv" für die Region

Eine Umfrage unter der Bevölkerung von sechs arabischen Ländern offenbart Enttäuschung und wenig Verständnis für die amerikanische Nahost-Politik

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Der Friedensprozess im Nahen Osten ächzt behäbig, ein Schrittchen vor, eins zurück, im endlosen Zermürbungsloop der wiederholten Forderungen. Statt Fortschritte in der Region zeigen Zwischenfälle, wie etwa kürzlich an der libanesisch-israelischen Grenze (siehe Erstmals hat das libanesische Militär israelische Soldaten angegriffen), dass vor allem Spannungen Impulse setzen und Nervosität die Region bestimmt: "None of this necessarily means impending war, but emotions are running high", so die aktuelle Einschätzung der Beobachter der israelischen Zeitung Ha'aretz.

Das ist an sich nichts Neues, aber man hatte sich von der US-Politik unter dem Bush-Nachfolger Obama mehr versprochen; Impulse in der Gegenrichtung, gerade in arabischen Ländern. So ist es wenig erstaunlich, dass der amerikanische Präsident bei einer aktuellen Umfrage unter rund 4 000 Teilnehmern aus Ägypten, Saudi-Arabien, Marokko, Jordanien, dem Libanon und den Vereinigten arabischen Emiraten schlecht abschneidet. Die Hoffnungen, die die Bevölkerungen dieser Länder noch im letzten Jahr auf Obama setzten, haben - in einer doch überraschenden Deutlichkeit - einer Enttäuschung Platz gemacht. Zeigte sich eine knappe Mehrheit (51 Prozent) im April und Mai des Vorjahres noch optimistisch gegenüber der amerikanischen Middle East-Politik, so sind es jetzt nur mehr 16 Prozent. Wohingegen 63 Prozent "Entäuschung" angaben (zuvor waren es nur 15%).

Zwar seien solche Umfragen der arabischen Welt mit Vorsucht zu genießen, kommentiert Arab-Street-Experte Marc Lynch in seinem Blog, die Botschaft sei dennoch unmissverständlich: aus der Blase ist die Luft raus. Dafür hat das Versagen der amerikanischen Regierung im israelisch-palästinensischen Konflikt gesorgt. Dass sich nur 1 Prozent in der Umfrage als zufrieden mit der US-Regierungspolitik in diesem Konflikt geäußert hat, bestätigt dies. Weitere Anzeichen sind, dass 54 Prozent der Befragten angaben, ein israelisch-palästinensisches Friedensabkommen würde ihre Meinung am meisten positiv verändern. Und 86 Prozent, die erklärten, dass sie für einen "Frieden mit Israel" bereit seien, was immer das genau heißen mag.

Das interessantere Ergebnis der Umfrage des konservativen Think Tanks Brookings in Zusammenarbeit mit Zogby International zeigt sich jedoch bei der Einschätzung des iranischen Atomprogramms. Eine Mehrheit der arabischen Bevölkerung sieht demzufolge in einem "nuklear bewaffneten Iran eine Verbesserung für den Mittleren Osten".

Während 2009 nur 29 Prozent auf die Frage, ob das eher positiv oder negativ für die Region wäre, wenn Iran im Besitz nuklearer Waffen käme, mit "positiv" geantwortet haben, sind daraus zwischenzeitlich 57 Prozent geworden. Möglicherweise provoziert das iranische Nuklearprogramm nicht nur Angst in der benachbarten Region, wie dies oft anhand von Saudi-Arabien oder den Emiraten dargestellt wird, sondern auch einen bislang verborgenen Stolz auf die technischen Fähigkeiten des muslimischen Landes, das dem Westen trotzt. Vielleicht hofft man auch, dass die USA bei einer atomaren Bewaffnung Irans in der Region zu etwas mehr Zurückhaltung genötigt wäre.

Die Zahl derer, die härtere Sanktion gegen Iran unterstützten, sank binnen eines Jahres um die Hälfte - von 40 Prozent auf 20 Prozent. Die Ansicht, dass sich Araber im Geheimen freuen, wenn die USA Iran wegen des Atomprogramms militärisch angreifen würden, findet in der Umfrage keine nennenswerte Unterstützung.