Filmverwerter drohen kino.to-Nutzern mit Strafrecht [Update]

Die GVU trollt mal wieder

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Während die wichtigsten Konsumenten der Filmindustrie gerade zu Tausenden gegen ACTA auf die Straße gehen, hat die Frontorganisation der Filmverwerter GVU ungerührt in den Medien angekündigt, gegen Nutzer illegaler Streaming-Portale wie kino.to und kinox.to strafrechtlich zu Felde zu ziehen. Die GVU hat insbesondere diejenigen Nutzer im Visier, die für Premium-Zugänge Geld bezahlt haben, da diese Nutzer kriminelles Verhalten unterstützt hätten. Die Ironie an dieser Logik aber ist, dass damit ausgerechnet diejenigen Nutzer abgestraft werden sollen, denen die gestreamten Inhalte überhaupt etwas wert waren. Der Ansatz, die absoluten Nichtzahler durch Straffreiheit zu belohnen, dürfte pädagogisch im Kampf gegen die „Kostenloskultur“ eher verfehlt sein. Dem Vernehmen nach soll übrigens die maßgebliche Einnahmequelle der Streaming-Portale gar nicht der Vertrieb von Premium-Accounts, sondern das Geschäft mit den Werbeanzeigen sein.

UPDATE: Die GVU teilte zwischenzeitlich mit, dass sie lediglich gegen die Filehoster Strafantrag gestellt habe. Das Vorgehen gegen die Nutzer gehe vielmehr von der Staatsanwaltschaft Dresden aus, welche die Zahlungen via Paypal als Beihilfe zur Urheberrechtsverletzung ansehe. Allerdings kommentierte die GVU im FOCUS, den Nutzern von kinox.to müsse klar sein, dass sie damit Kriminelle unterstützen. Eine Distanzierung von dem Vorgehen der Statsanwaltschaft in Dresden ist nicht erkennbar.

Die GVU macht sich für ihr Säbelrasseln die derzeit unklare Rechtslage zunutze. Für Verunsicherung hatten vor Kurzem die Ausführungen eines Strafrichters am Amtsgericht Leipzig gesorgt, der bei der Verurteilung eines kino.to-Mitarbeiters Streaming und Filesharing gleichgesetzt hatte. Nach gegenwärtiger Rechtslage sieht es jedoch nicht danach aus, als könne man auch das Nutzen von Streaming-Angeboten strafrechtlich belangen. Das bloße Betrachten ist rechtlich schon gar nicht erfasst. Inwiefern das Nutzen eines Streaming-Angebots einen Eingriff in das Urheberrecht durch Speicherung darstellen könnte, ist juristisch umstritten. Das direkte Eingreifen oder wenigstens die Wertung von § 44a Nr. 1 UrhG sprechen eher gegen eine Strafbarkeit. Die Vorschrift erklärt vorübergehende Vervielfältigungshandlungen für zulässig, die flüchtig oder begleitend sind und einen integralen und wesentlichen Teil eines technischen Verfahrens darstellen und deren alleiniger Zweck es ist, eine Übertragung in einem Netz zwischen Dritten durch einen Vermittler eines Werkes oder sonstigen Schutzgegenstands zu ermöglichen, und die keine eigenständige wirtschaftliche Bedeutung haben. Auch Konstruktionen, die Nutzer als Anstifter oder Beihelfer rechtswidriger Handlungen zu belangen, überzeugen nicht. Insbesondere dann, wenn eine Zusatzsoftware heruntergeladen werden muss, wird es jedoch unübersichtlich.

Eine Auslegung der Strafvorschriften, die das Nutzen auch von Streaming trotz der unklaren Rechtslage erfassen wollte, wäre verfassungsrechtlich problematisch, denn nach Art. 103 Abs. 2 GG darf nur bestraft werden, was vor der Tat ausdrücklich verboten wurde, woraus ein zurückhaltenden Gebrauch mit Analogien und Ausweitung folgt. Angesichts dieser unklaren Rechtslage spräche gegen eine Verurteilung nicht zuletzt die Verbotsirrtumsregelung des § 17 StGB, denn wenn sogar etliche Juristen von einer Straflosigkeit ausgehen, kann den Konsumenten kaum eine bessere Einschätzung der Rechtslage zugemutet werden. Eine weitere Hürde bietet rein praktisch der gerichtsfeste Nachweis einer Nutzung. Letztendlich aber dürfte es genau wie beim Besitz kopierter DVDs darauf hinauslaufen, dass die Staatsanwaltschaft den Besitz von Schwarzkopien bei Konsumenten als Kavaliersdelikt betrachtet und nicht mehr verfolgt, sondern sich stattdessen echten Verbrechen widmet.

Eine Rechtsprechung, die das Nutzen von Streaming unter Strafe stellt, gibt es also jedenfalls derzeit nicht, was jedoch die GVU keineswegs davon abhält, eine entsprechende Kampagne zu fahren und Staatsanwälte versuchsweise mit der Verfolgung von theoretisch vielleicht doch strafbaren Taten zu befassen. Die GVU hat hierzu als Partner offenbar die Staatsanwaltschaft Dresden gewonnen, die sich kürzlich für die Ehre des „Bundespräsidenten“ verwandte und eine rustikale Auffassung von Pressefreiheit hegt.

Ob die Maßnahme mehr als eine psychologische Bedeutung hat, darf bezweifelt werden. Mit Desinformation hat die GVU ja eine gewisse Erfahrung. Während die Kampagne "Raubkopierer sind Verbrecher“ selbst legale Nutzer vor dem Filmgenuss einen Schrecken einjagte, sind Massenverhaftungen wegen „Selbstgebrannter“ bislang ausgeblieben – genauso, wie vermutlich die naiv erhoffte PR-Wirkung. Im Gegenteil haben die „Piraten“ inzwischen sogar aus der Anonymität gefunden und unterwandern derzeit die Parlamente und Medien. UPDATE: Die GVU lässt ausrichten, das sie lediglich im Beirat der Kampagne gesessen habe, nicht jedoch Kopf derselben gewesen sei.

Während sich die GVU immer wieder als Beschützerin der Urheber aufspielt, geht es ihr jedoch vornehmlich darum, die Märkte der Verwertungsindustrie zu sichern, die bereits längst bezahlte Produktionen unkreativ recycelt und vermutlich selbst gerne das Geschäft mit den kino.to-Nutzern gemacht hätte. Doch ebenso, wie etwa die verwandte Musikindustrie ihre Zeit auf Rechtsstreite verschwendete und dabei verschlafen hat, wie ihr iTunes und Amazon das Geschäft aus der Hand nahmen, setzen auch die Bewahrer der Filmverwerterbranche auf Strafrecht. Die Annahme, jeder Betrachter gestreamter Inhalte hätte den Film auch so erworben und schädige damit die Urheber, denen das Geschäft entgangen sei, dürfte dem Bereich des Aberglaubens zuzurechnen sein. Sofern aber Nutzer bereit sind, für das Streaming zu zahlen, wie es zum Teil bei kino.to der Fall war, so hinken die Verwerter jedoch wie bei iTunes und Amazon hinterher.

Im Gegenteil sogar schädigt die GVU vermutlich sogar ihre vorgebliche Klientel, denn durch digitale Verbreitung werden neue Konsumenten erschlossen und Nachfrage auch nach legalen Angeboten angeregt. Die Filmindustrie hat sich bzgl. ihres Verwertungsanspruchs betagter TV-Serien und Kinofilme ohnehin längst diverse Glaubwürdigkeitsprobleme eingehandelt: Bereits wenige Jahre nach der Primärauswertung werden etlichen Zeitschriften auf beiliegenden DVDs quasi kostenlos Filme dazu gepackt, diese also den Kunden quasi unverlangt nachgeworfen. Wie sollte man wohl ein Unrechtsbewusstsein entwickeln, wenn einem Film wenige Jahre nach seiner Premiere nicht einmal mehr die Verleger einen realisierbaren Wert beimessen und ihn verramschen? Warum sollte ein Film, den man bei dessen TV-Auswertung legal hätte mitschneiden können, nicht privat geteilt werden dürfen? Angesichts immer teurerer Filmproduktionen der letzten Jahre, bei denen Budgets von 200 Millionen inzwischen keine Ausnahme mehr darstellen, ist es nur schwer zu glauben, dass die private Digitalkopie den Kreativen der Filmbranche das Wasser abgräbt.