Hoffmanns Erzählungen, ein singendes totes Cello und ein geheimer Plan

Luxemburger Geheimdienstaffäre beschäftigt nun auch die deutsche Bundesregierung

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Von den großen deutschen Medien erstaunlich unbeobachtet, tun sich im Luxemburger Geheimdienstprozess vernebelte Abgründe des Kalten Kriegs auf. Während in Deutschland das-Kapitel "Stay Behind" und die mögliche Verwicklung der NATO-Geheimagenten in propagandaträchtige Terroranschläge weitgehend unaufgearbeitet sind, müssen in Luxemburg die Geheimen vor Gericht den Schlapphut abnehmen. Zwei Polizisten stehen dort im Verdacht, in die Bombenanschläge der 1980er Jahre verwickelt zu sein.

Ein deutscher Historiker namens Andreas-Johann Kramer aus Duisburg, ein vormaliger Mitarbeiter der Deutschen Bundestagsverwaltung, hat in einer eidesstattlichen Erklärung die Erinnerungen seines verstorbenen Vaters geschildert, der für den deutschen Bundesnachrichtendienst als Verbindungsmann für die Benelux-Staaten arbeitete. Wie der "Triersche Volksfreund" berichtet, soll der BND-Mann Johannes Karl Kramer unter dem Decknamen "Cello" die Stay-Behind-Aktivitäten mit dem damaligen Chef des Luxemburger Geheimdienstes SREL, Charles Hoffmann, koordiniert haben. Hoffmann sei in den 1970er Jahren auf Sardinien in Sabotage ausgebildet worden.

Der belastete Hoffman widersprach dem in Interviews. Er sei erst 1976 zum SREL gekommen, den er von 1985 bis 2003 leitete. Hoffman räumte seine Arbeit für "Stay Behind" ein - in Luxemburg chiffriert als "Plan". Hoffmann will die anderen Agenten, die im Fall einer kommunistischen Besatzung als "Schläfer" im Land geblieben und den Widerstand organisiert hätten, nicht in persona gekannt haben. Die Organisation nach dem Need-to-know-Prinzip wäre im Geheimdienst durchaus nicht ungewöhnlich. Hoffmann räumt lediglich harmlose Übungen ein wie das Zusammenspiel mit Luftunterstützung, bei der das Großherzogtum mangels eigener Luftwaffe auf NATO-Partner angewiesen war. Hoffmann will nichts mit den Bombenlegern zu tun haben und hält es für ausgeschlossen, dass für Stay Behind Polizisten oder Soldaten rekrutiert worden seien, da solche von einer Besatzungsmacht kontrolliert worden wären, berichtet das Luxemburger Wort.

Im Prozess schilderte allerdings ein Luxemburger Soldat geheimnisvolle, streng geheime Spezialaufträge. So habe dieser 1981 US-Fallschirmspringer eingesammelt und in zivilen Fahrzeugen diskret herumkutschiert. Einmal jedoch soll ein Treffen in der Nähe eines Militärdepots misslungen sein; er erinnerte er sich an Streifenwagen mit Blaulicht und Sirene, die er zunächst nicht einordnen konnte. 1984 dann habe er vom Überfall auf die belgische Kaserne bei Vielsam erfahren, zu dem er Parallelen erkannte. Unbekannte hatten auf einen Wachmann geschossen und Waffen entwendet. Der Spiegel assoziierte den ungeklärten Anschlag mit der RAF. Eine Militär-Gerüchte-Website will indes erfahren haben, dass vor dem Überfall eine entsprechende Übung von amerikanischen Spezialeinheiten geplant gewesen sei. Einer der Strafverteidiger, Gaston Vogel, vermutet, dass es sich 1981 um eine Übung für das NATO-Manöver Ösling84 gehandelt habe.

Anwalt Vogel fordert auch die Vorlage des Fotos einer Überwachungskamera. Der Abgebildete war bei einem Banküberfall gefilmt worden und soll Ähnlichkeit mit dem Mann für spezielle Aufträge Ben Geiben haben, der im Verdacht steht, die Bombenlegerserie zu verantworten. Für eine "amtliche" Begehung der Attentate spricht auch eine weitere Auffälligkeit: So sollen diese durchweg um 23.30 Uhr durchgeführt worden sein, was eher zu einer militärischen Planung als zu Sponti-Ökoterroristen oder Amateurerpressern passt.

Inzwischen hat Hans-Christian Ströbele, vormaliger RAF-Anwalt und dienstältestes Mitglied des Parlamentarischen Kontrollgremiums des Bundestags für die Geheimdienste, eine Parlamentarische Anfrage zur möglichen Verwicklung des BND-Mannes in die Anschläge gestellt. Der unbequeme Ströbele fragte weiter, wie die Bundesregierung zur Wahrheitsfindung in diesem Prozess beitragen, sowie die historische Erforschung von "Gladio /Stay Behind" beim BND rasch vorantreiben will.

Korrektur: In einer früheren Fassung dieses Beitrags wurde irrtümlich berichtet, Hoffmann habe "vor Gericht" dementiert. Er ist jedoch noch nicht vom Gericht gehört worden.