Sparpolitik sorgt für trübe Wirtschaftsaussichten

Dank des deutschen Austeritätsdogmas hält das IMK hierzulande auch eine Rezession für denkbar

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So unvermindert wie die deutsche Bundesregierung gemeinsam mit der Europäischen Kommission an ihrer "Sparpolitik" für die krisengeschüttelten Euro-Staaten festhalten, so unvermindert sinken die Hoffnungen auf eine baldige Belebung der Konjunktur in Deutschland und Europa. Zu diesem Schluss kommt die aktuelle Wirtschaftsprognose des gewerkschaftsnahen Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) . Dank der Austerität und der restriktiven Wirtschaftspolitik stagniert die Wirtschaftsleistung der EU in den ersten beiden Quartalen, in der Folge ist die Arbeitslosigkeit im Euroraum im Juli auf 11,3 Prozent gestiegen.

Dabei ist die Lage in den EU-Staaten höchst unterschiedlich. Zwar ist allen Staaten eine Abkühlung der Wirtschaft gemein, trotzdem setzt sich in den baltischen Staaten das Wirtschaftswachstum mit vermindertem Tempo fort. Doch der Euroraum sei "konjunkturell gespalten", konstatiert das IMK. Deutschland und die wirtschaftlich eng verbundenen Niederlande sowie Österreich stehen derzeit noch vergleichsweise gut da. Griechenland, Irland, Italien, Portugal, Spanien und Zypern befänden sich dagegen in einem "Teufelskreis". Drastische Ausgabenkürzungen in Kombination mit Steuererhöhungen hätten zwar zu reduzierten Haushaltsdefiziten geführt. Da jedoch gleichzeitig die Konjunktur einbricht und staatliche wie private Ausgaben in den betroffenen Ländern zurückgefahren werden, kann die Schuldenstandquote nicht so sinken, wie sich das die Austeritätsbefürworter vorstellen. Aus Sicht des IMK spricht vieles dafür, dass das BIP in der Eurozone deshalb in diesem Jahr um 0,5 Prozent und im kommenden Jahr um 0,7 Prozent sinken wird.

Auch für Deutschland mehren sich die Anzeichen für eine kommende Rezession, so das IMK. Produktion, Umsätze und Auftragseingänge in der Industrie sind rückläufig. Auch die Inlandsnachfrage wird demnach die schwächelnde Nachfrage nach deutschen Produkten im Ausland nicht ausgleichen können. Unter der Voraussetzung, dass sich die Eurokrise entschärft, könne das BIP in Deutschland im Jahr 2013 lediglich um 0,4 Prozent wachsen. Der zu straffe Konsolidierungskurs im Euroraum stehe jedoch einer durchgreifenden Lösung der Krise entgegen. Gestützt würde die deutsche Konjunktur jedoch durch die Abwertung des Euro gegenüber dem US-Dollar um 9 Prozent in 2012. Dadurch steige die preisliche Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft um 3,5 Prozent.

Positiv sieht das IMK die Entscheidung der Europäischen Zentralbank, künftig ohne Limit Staatsanleihen auf dem Sekundärmarkt aufzukaufen. Diese Entscheidung habe schon Wirkung gezeigt und die Renditen der Staatsanleihen der am stärksten von der Vertrauenskrise betroffenen Länder um über einen Prozentpunkt gesenkt. Allerdings warnen die Konjunkturforscher davor, den Fortschritt zu blockieren, indem "Staaten erst übertrieben harte Sparprogramme beschließen müssen, bevor sie von der EZB unterstützt werden können".

Für Deutschland empfiehlt das IMK eine expansive Fiskalpolitik, um einer inländischen Stagnation entgegenzuwirken. Dies würde zu einer stärkeren Binnennachfrage und zu einem Abbau der Ungleichgewichte in den Leistungsbilanzen der Euroländer beitragen. Wachstumsfördernde Investitionen in Bildung, Infrastruktur und Kinderbetreuung könnten gemeinsam mit konjunkturschonenden Steuererhöhungen auf hohe Erwerbseinkommen, Kapitaleinkommen und Vermögen sogar defizitneutral verwirklicht werden. Die Gefahr einer Inflation sei derzeit aufgrund der schwachen wirtschaftlichen Lage im Euroraum gering.

Die Chancen, dass die Vorschläge des IMK umgesetzt werden, sind allerdings gering. Erst vor kurzem sprach Angela Merkel auf dem Tag der Industrie recht abfällig über Experten, die auf eine Angleichung der Lohnstückkosten in Europa drängen. "Es ist natürlich vollkommen klar, dass Wachstum nur dann möglich ist, wenn wir in der Lage sind, weltmarktfähige Produkte zu produzieren, die insbesondere auch in den Schwellenländern abgesetzt werden können", so die Kanzlerin. Steigende Löhne in Europa stehen diesem Ziel freilich entgegen.