Die geheimen Petra-Pau-Akten

Verfassungsschutz schützt sich vor Arbeit

Der folgende Beitrag ist vor 2021 erschienen. Unsere Redaktion hat seither ein neues Leitbild und redaktionelle Standards. Weitere Informationen finden Sie hier.

Die Bundestagsvizepräsidentin Petra Pau wird bekanntlich vom Inlandsgeheimdienst Bundesamt für Verfassungsschutz beobachtet. So befürchtete man bis Juli 2012, die Politikerin sei eine Gefahr für die freiheitliche demokratische Grundordnung. Warum die Spionagebehörde das glaubte, und warum sich die Bundestagsvizepräsidentin schon nach sechs Jahren im Amt gebessert hat, verrieten die Schlapphüte nicht.

Inzwischen wollte die neugierige Frau auch mal etwas von der Arbeit der Verfassungsschützer haben, die immerhin als „Dienstleister der Demokratie“ werben, und klagte auf Akteneinsicht. Die verspricht auch, hochspannend zu werden, denn offenbar haben die Meisterspione zur Beobachtung von Pau 175 Zeitungen vollständig eingescant. Diese sogenannten Sachakten wollen die Schlapphüte aber nicht herausrücken. Die begehrte Akteneinsicht sei „unverhältnismäßig“, da es immerhin um 400 Akten gehe. Sie müssten vorher gesichtet werden, was hochgerechnet die Arbeitszeit eines Beamten volle 60 Tage lang komplett binden würde. Für die Ablehnungsbegründung nahm man sich Zeit für 40 Seiten.

Nun will man ja nicht, dass durch diese Anfrage die Arbeitsfähigkeit der Behörde gelähmt wird, die uns rund um die Uhr vor chinesischen Wirtschaftsspionen und den Horden islamistischer Terroristen beschützt. Aber wenn es denn stimmt, dass das Bundesamt für Verfassungsschutz über 2.700 Mitarbeiter hat, dann könnten die sich die Arbeit doch mal eben teilen. Bei veranschlagten rund 400 Arbeitsstunden entfiele auf jeden Spion eine Viertelstunde Arbeit. Oder man setzt Texterkennungssoftware ein und filtert alle eingescanten Texte mit dem Namen der Zielperson aus. Mit Software haben es die Spione in Köln-Chorweiler aber nicht so. So wollen die Verfassungsschützer nichts davon mitbekommen haben, wie die NSA mit XKeyscore in Deutschland rumgeschnüffelt hat. Wie auch, denn sie waren damit beschäftigt, den Bundestag zu überwachen.

Wenn dann die fleißigen Verfassungsschützer ihr Werk ggf. auf richterlichen Druck hin verrichtet haben, darf man gespannt sein, warum Frau Pau als mögliche Gefahr für die freiheitliche demokratische Grundordnung betrachtet wurde. Vielleicht fand man ja heraus, dass sie bei der FDJ war - wie auch eine bekannte Bundeskanzlerin? Oder man stößt auf Hinweise darauf, dass sie mit einem Ex-KGB-General dubiose Geschäfte mit russischen Pipelines eingestielt hat? Oder eine Beratungsfirma mit einer ehemaligen US-Außenministerin gründen will? Vielleicht hat sie einen Beiratsposten in einem erdöligen Unternehmen im Dunstkreis des britischen Geheimdienstes? Möglicherweise ist sie sogar Mitglied der Trilateralen Kommission?

Falls man beim Verfassungsschutz eines Tages zu dem Schluss käme, dass eine seit über zwei Jahrzehnten etablierte, freiheitlich demokratisch gewählte Partei vielleicht doch nicht so bedrohlich sein sollte, notfalls mit Hilfestellung des Bundesverfassungsgerichts, dann könnte man freiwerdende Kapazitäten ja auf die Beobachtung der NSA verwenden.