Neo-koloniale Muster?

Wem nützt die Freihandelszone der ASEAN mit China?

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Walden Bello, Leiter des Bangkoker Instituts Focus on the Global South, linker Parlamentarier auf den Philippinen und einer der international bekannten Theoretiker der globalisierungskritischen Bewegung, hat das am 1. Januar in Kraft getretene Freihandelsabkommen zwischen China und den ASEAN-Staaten kritisiert. Das Abkommen sieht vor, dass im Warenaustausch zwischen der Volksrepublik und den fortgeschrittenen Mitgliedern der Südostasiatischen Allianz (Brunei, Indonesien, Malaysia, den Philippinen, Thailand und Singapur) die Zölle auf etwas über 7.000 Produkte wegfallen. 2015 soll die Freihandelszone auf die übrigen ASEAN Mitglieder (Myanmar, Laos, Kambodscha und Vietnam) ausgedehnt werden.

Ebenfalls am 1. Januar trat auch ein Abkommen in Kraft, das die ASEAN nach Eigendarstellung in eine Wirtschaftsgemeinschaft nach dem Vorbild der EU verwandeln soll. Im Handel zwischen den sechs ökonomisch stärkeren Mitgliedern fallen seit Beginn des Jahres so gut wie alle Zölle weg. Gleichzeitig sollen auch andere Handelshindernisse beseitigt werden, indem zum Beispiel die Zollabfertigung vereinheitlicht und vereinfacht wird. Für den Abbau der verbleibenden Zölle und den Beitritt der vier ärmeren ASEAN-Mitglieder gibt es einen festen Zeitplan. In den meisten Fällen soll das Ziel bis 2015 erreicht sein.

Die ASEAN arbeitet bereits seit den 1990er Jahren daran, die zunächst lockere Allianz auszubauen und mit gemeinsamen Institutionen zu versehen. Allerdings divergieren die politischen Systeme in der ASEAN wesentlich stärker als in der EU. Singapur wird von einer westlich-orientierten Einparteiendiktatur regiert, Vietnam und Laos von nominell kommunistischen Parteien, Brunei von absolutistischen Monarchen, Myanmar von einer zynischen Militärdiktatur, in den anderen fünf Mitgliedsländer gibt es etwas, was mehr oder weniger freien Wahlen ähnelt, je nachdem, welchen Maßstab man anlegt.

Also eine ganze Menge zentrifugaler Kräfte. Dass die Allianz dennoch soweit gekommen ist, die Wirtschaftsunion so weit voranzutreiben, ist bemerkenswert. Noch vor zwölf Jahren, als der IWF während der Asienkrise die Volkswirtschaften der Region mit den gleichen Rezepten verheerte, mit denen derzeit Griechenland angeblich saniert werden soll, war der Warenaustausch zwischen den ASEAN-Mitgliedern untereinander noch vernachlässigbar. Die Volkswirtschaften waren ganz auf Absatzmärkte in Europa, Japan und Nordamerika ausgerichtet.

Seitdem ist nicht nur die ökonomische Integration weit vorangeschritten, auch der Außenhandel mit dem großen Nachbarn China hat erheblich zugenommen. Doch was für Folgen wird es haben, wenn dieser nun künftig weitgehend frei von Zöllen und Beschränkungen ablaufen wird? Walden Bello befürchtet in einem Beitrag für das in Bangkok erscheinende Online-Magazin Asia Times, dass die Vorteile des Freihandels zwischen der ASEAN und der Volksrepublik nicht gleichmäßig verteilt sein werden. Bello erwartet vor allem, dass lediglich der intensive Schmuggel chinesischer Güter in die südlichen Nachbarländer weiter legalisiert und die dortigen Industrien zusätzlich geschädigt werden. Am Ende würde China gegenüber seinen Nachbarn alte koloniale Muster wiederholen. Einfallsreiche administrative Maßnahmen werden die Einfuhren von Industrie- und Agrargütern mit hohem Wertzuwachs weiter behindern, während Rohstoffe heiß begehrt sind. Die ASEAN-Länder würden somit zu Lieferanten von Roh- und Halbfertigprodukten reduziert, was ihre vollständige Industrialisierung auf Dauer verhindern würde.