Bakterien altern - zumindest teilweise

Nach einer Studie von US-Wissenschaftlern haben schon die Bakterien das Altern zur evolutionären Optimierung erfunden

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Es war ein schöner oder auch ein neidischer Gedanke der Menschen, dass es prinzipiell ein ewiges Leben geben könnte - oder zumindest Organismen, die nicht altern. So dachte man, dass Bakterien, die sich durch Teilung fortpflanzen, dies immerzu machen können, wenn sie nicht anderweitig sterben.

Die Annahme, dass Bakterien nicht altern, könnte aber falsch, zumindest aber nicht ganz richtig sein, so geht aus einer Studie von Evolutionsbiologen der University of California, die vorab in der Zeitschrift Current Biology erschienen ist, hervor. Ausgangspunkt waren zwei Versuche anderer Forscherteams, deren Ergebnisse sich aber widersprachen. Während der eine Versuch mit E. coli Bakterien zum Ergebnis kam, dass diese altern, zeigte der andere Versuch, dass sie sich in einer bestimmten Lösung weiter teilen konnten, ohne zu altern.

Die kalifornischen Wissenschaftler nahmen sich die Daten der beiden Versuche noch einmal vor und überprüften sie mit einem populationsgenetischen Modell des bakteriellen Alterns. Diesem liegt die Annahme zugrunde, dass Altern mit der Zunahme nichtgenetischer Schäden in Zellen, beispielsweise der Oxidierung von Proteinen, zusammenhängt. Eine evolutionäre Strategie für die Zellteilung hat im Grunde zwei Möglichkeiten. Bei der Teilung könnten die Schäden gleichmäßig oder ungleichmäßig verteilt werden. Die vernünftigere Strategie wäre, dass die eine der Tochterbakterien mehr und die andere weniger oder gar keine übernehmen würde. Das nämlich würde dazu führen, dass die die weitere Linie der geschädigten Tochter sich schlechter reproduziert, während die andere Linie, die sich gewissermaßen verjüngt, sich besser reproduziert und eine bessere Fitness erwirbt.

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Bild: E. coli Kultur. Bild: UCSD

In den beiden noch einmal mit diesem Modell überprüften Versuchen zeigte sich, dass beide eigentlich zum selben Ergebnis kommen, es kommt nur darauf an, wie die Entwicklung gemessen wird. Es findet gleichzeitig ein Prozess des Alterns und des Verjüngens statt, wobei durch die asymmetrische Verteilung der Schädigungen ein Altern der einen Bakterienlinien und ein Fortleben der anderen gibt.

Dies konnten die Wissenschaftler noch einmal anhand der Beobachtung von Hunderten von E. Coli Generationen bestätigen. In den aufgenommen Videos zeigte sich, dass die Bakterien jeweils nach der Teilung sich unterschiedlich schnell reproduzierten. Diejenigen, die den Großteil der zellulären Schäden erhielten, teilten sich entsprechend langsamer. Aus der evolutionären Perspektive entwickeln sich die Linien immer weiter auseinander und häufen sich die Vorteile bei der Linie auf, die weniger Schäden abkriegt. Das würde aber auch heißen, dass Bakterien sich nicht symmetrisch in der Mitte teilen, sondern eben auch asymmetrisch, um die Schäden zu verteilen. "Es muss ein aktives Transportsystem in der Bakterienzelle geben, das den nichtgenetischen Schaden in eine der Tochterzellen schiebt. Wenn Bakterien symmetrisch wären, würde es kein Altern geben. " So aber altert die eine Zelle mit mehr Schäden, während die anderen "einen verjüngenden Start mit weniger Schäden" bekommt.

Wenn aber schon Bakterien altern bzw. Bakterien zur Steigerung der Fitness das Altern "erfunden" haben, dann könnte es auch aus ähnlichen Gründen in den Prokaryoten und den Eukaryoten entstanden sein. Altern als Krankheit zu verstehen, das sich behandeln und ausschalten ließe, wie das Manche annehmen, wäre dann kaum mehr möglich. Allerdings wäre die theoretische Möglichkeit des ewigen Lebens auch ein Widerspruch zu jeder evolutionären Strategie, die Reproduktion und die damit einhergehende Selektion an das Aussterben der Vorgänger - oder eben Teil der Vorgänger - bindet und so Veränderung ermöglicht.