Zerfall einer Splitterpartei

Wenige Tage nach ihrem Bundesparteitag verliert die rechtspopulistische Partei "Die Freiheit" eine Reihe von Vorstandsmitgliedern

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Allem Anschein nach hat der Bundesparteitag der rechtspopulistischen, islamfeindlichen Partei Die Freiheit derselben großen Schaden zugefügt. Hatten gemäßigte Kreise zuvor angemahnt, man dürfe weder wegen des Themas Islam zur Ein-Themen-Partei verkommen, noch solle der radikale Flügel dominierend in der Splitterpartei auftreten, treten jene Mahner nun reihenweise aus oder zurück. Einer der Auslöser dafür: der vom bayerischen Landesvorstand kurzzeitig seiner Ämter enthobene Islamfeind Michael Stürzenberger wurde in den Bundesvorstand gewählt.

Stürzenberger hatte einen fremden- und islamfeindlichen Beitrag auf dem rechtslastigen Blog Politically Incorrect (PI) publiziert. Der ehemalige Pressesprecher der CSU in München hatte darin gefordert, Muslime, die nach einer öffentlichen Diskussion und einer Volksabstimmung nicht von ihrem Glauben abschwören, müssten zur Ausreise gezwungen werden. Stürzenberger wollte gar verordnet wissen, dass alle Bundesbürger den Koran lesen sollten. Weil dies den Parteiprinzipien und dem Grundgesetz widerspreche, hatte der bayerische Landesvorstand Stürzenberger geschasst ( Freisetzung eines Islamfeindes). Der Bundesvorstand signalisierte ihm indes eine gute Arbeit und lobte ihn in den Vorstand weg.

Auf dem Bundesparteitag der "Freiheit" in Frankfurt wählte die Splitterpartei um den Berliner CDU-Abtrünnigen René Stadtkewitz am 10. Dezember einen neuen Bundesvorstand. Stadtkewitz wurde dabei als Bundeschef im Amt bestätigt. Als einer der stellvertretenden Vorsitzenden wurden Marco Pino aus Hessen gewählt, der bei PI unter dem Pseudonym "Frank Furter" zeitweise Texte publizierte, die sich scharf gegen linke und Umweltpolitik sowie den Islam richteten. Solche Texte von Pino alias "Frank Furter" wurden auch in der rechtsklerikalen Zeitschrift //komma-magazin.de publiziert.

Als einer von vier Beisitzern wurde in den Bundesvorstand zudem Stürzenberger gewählt. Vor einer solchen Wahl hatte zuvor Philipp Wolfgang Beyer, Vorsitzender des Landesvorstandes in Thüringen, gewarnt. Beyer hatte unter anderem, offenbar aus eher taktischen Gründen, angemerkt, dass sich verstärkt Menschen aus dem bürgerlichen Lager der "Freiheit" anschließen wollten. Stürzenbergers Radikalität würde sie abschrecken. Schon heute gehörten der Partei "Polizisten, Staatsanwälte, Richter oder Schöffen" an, "die einen Eid auf unsere Verfassung abgelegt haben". Sie hätten "durch diese unberechenbare Zielscheibenpolitik Stürzenbergers" beruflich, geschäftlich und gesellschaftlich viel zu verlieren, warnte Beyer.

Auch der Landesvorsitzenden in NRW, Andreas Pokladek, äußerte sich kritisch über Entwicklungen innerhalb der Partei, was ihm bei PI den polemischen Verweis einbrachte, dass er die Partei wohl nun in den "Kampf gegen Recht" einbinden wolle. Die Parteijugend fand indes, Stürzenbergers Thesen seien "einer liberalen Partei [...] unwürdig".

Ungeachtet dessen wurde der Bayer in den Vorstand gewählt – mit direkten Folgen. Einem Teilnehmer-Bericht zufolge habe Stadtkewitz auf dem Parteitag gesagt, dass der bayrische Landesvorstand aufgrund der Wahl eines "bestimmten" Beisitzers zurückgetreten sei.

Kurz darauf erklärte der Landesvorstand offiziell seinen Rücktritt, die Mitglieder desselben zu großen Teile auch ihren Parteiaustritt. Auch der NRW-Landesvorsitzende Andreas Pokladek soll unterdessen seinen Rücktritt verkündet haben, ebenso wie der "Frank Furter" Marco Pino. Der einige Tage lang als Stellvertreter Stadtkewitz’ fungierende Hesse schrieb, dass nicht nur der bayerische Landesvorstand abgetreten sei, sondern ebenso fast der gesamte hessische Landesvorstand.

Pino fand, die von Stürzenberger in dessen Thesenpapier geäußerten Ansichten gingen "weit über rechtsstaatliche Prinzipien hinaus und zeugen zweifelsohne von einem (ungewollten, aber latent vorhandenen) politischen Extremismus." Zweifellos erfreuten sich Stürzenberger und dessen Radikalität weiterhin großer Beliebtheit bei Teilen der Parteiführung und der Basis, so Pino. Indirekt dürfte hier auch die Angst von "Frank Furter" mitschwingen, plötzlich als Verfassungsfeind im Nadelstreifenanzug angesehen zu werden. Als wiederholter Autor des ins Visier verschiedener Verfassungsschutzämter geratenen Blogs PI ( PI – ein verlängerter Arm des Verfassungsschutzes?) dürfte das Gefühl Pino bekannt vorkommen.