Fall Mollath: Oberlandesgericht verwirft Beschwerde

Befangenheitsantrag von Strafverteidiger Gerhart Strate gescheitert – Mollath-Freund widerspricht Darstellung des Regensburger Landgerichts

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"Mich überrascht hier gar nichts mehr", sagte der Hamburger Strafverteidiger Gerhart Strate am Montag als Reaktion auf die Entscheidung des Oberlandesgericht (OLG) in Nürnberg. Das Gericht hatte gestern eine Beschwerde, die Strate im Fall seines Mandanten Gustl Mollath gestellt hat, verworfen. Vorangegangen war der Beschwerde beim OLG bereits eine Ablehnung von Strates Befangenheitsantrag gegen einen Richter durch das Landgericht in Regensburg. Der Befangenheitsantrag richtet sich gegen einen Richter der 7. Strafkammer, der in einem möglicherweise anstehenden Wiederaufnahmeverfahren im Fall Mollath eine Rolle spielt.

Der in der Kritik stehende Richter war es, der Mollath-Freund Edward Braun einen umstrittenen Kostenbescheid zukommen ließ. Braun trat im November 2011 mit einem Schreiben an die Staatsanwaltschaft Nürnberg-Fürth mit der Bitte um Veranlassung eines Wiederaufnahmeverfahrens heran. Der Zahnarzt verwies in dem Schreiben auf die Aussagen von Mollaths Ex-Frau, wonach diese ihm gegenüber gesagt habe, dass sie ihrem Mann etwas anhängen werde, wenn Mollath keine Ruhe gibt.

Die Staatsanwaltschaft bewertete Brauns Schreiben jedoch als einen eigenen Wiederaufnahmeantrag und teilte diese Entscheidung der 7. Strafkammer des Landgerichts Regensburg mit. Die Strafkammer verwarf im Januar 2012 Brauns Antrag als unzulässig, da Braun nicht antragsberechtigt und der Antrag außerdem nicht in der gesetzlich vorgeschriebenen Form eingereicht worden sei.

Die Entscheidung aus Regensburg erzürnt Mollaths Verteidiger. Strate wirft dem Richter vor, das Schreiben von Braun umgedeutet zu haben. Dieser habe eben nicht einen eigenen Antrag auf Wiederaufnahme stellen wollen, sondern Braun habe die Staatsanwaltschaft lediglich aufgefordert, selbst aktiv zu werden. In einem Schriftsatz an das OLG führt der Hamburger Jurist den Sachverhalt auf. Braun schrieb an die Staatsanwaltschaft:

"Sehr geehrte Damen und Herren der Staatsanwaltschaft,

bitte veranlassen Sie unverzüglich im Fall Gustl Mollath ein Wiederaufnahme- verfahren. (...) Sie können aus der Anlage 1, 2 und 3 entnehmen, dass neue Gesichtspunkte aufgetreten sind. Bitte informieren Sie mich über Ihre Entscheidung. Mit freundlichen Grüßen!"

Trotz dieser eindeutigen Aufforderung Brauns, die Staatsanwaltschaft möge ein Wiederaufnahmeverfahren veranlassen, hat die Staatsanwaltschaft Nürnburg-Fürth die Eingabe des Zahnarztes als einen eigenen Wiederaufnahmeantrag gewertet. Die 7. Strafkammer vertritt folgende Auffassung: "Mit Schreiben vom 23.11.2011, eingegangen bei der Staatsanwaltschaft Nürnberg-Fürth am 29.11.2011, hat der Zahnarzt Edward Braun – ein Freund des Angeklagten – privatschriftlich ein Wiederaufnahmeverfahren im verfahrensgegenständlichen Fall beantragt."

"Verhöhnung des Rechts"

In ihrem aktuellen Beschluss erklärt eben jene 7. Strafkammer nun, dass Braun bereits im Dezember 2012 von der Staatsanwaltschaft in Regensburg über die Bewertung seiner Eingabe informiert worden sei. Die Richter der Strafkammer argumentieren in ihrem ablehnenden Beschluss, dass Braun der Entscheidung der Staatsanwaltschaft nicht widersprochen habe. Daher habe der Richter, den Strate als befangen ansieht, "keinen Anlass dazu gegeben, aus Sicht eines vernünftig Beteiligten Misstrauen in seine Unparteilichkeit zu begründen", wie es in dem Beschluss des Landgerichts Regensburg heißt.

Doch genau dem widerspricht Braun. Gegenüber Telepolis sagte der Zahnarzt, er habe nie ein entsprechendes Schreiben der Staatsanwaltschaft erhalten, so dass er überhaupt hätte ein weiteres Mal Stellung nehmen können. Strate bezeichnet die eigenartige Auslegung von Brauns Schreiben durch das Gericht als eine "Verfälschung".

"Wenn die Staatanwaltschaft antragsberechtigt ist, der Bürger aber nicht, weshalb wird aus der Petition des Bürgers gegenüber der Staatsanwaltschaft ein Eigenantrag des Bürgers gemacht, um ihm alsdann die Unzulässigkeit zu bescheinigen?"

Der Anwalt schreibt in seiner Beschwerde an das OLG, in der er die Entscheidung der Regensburger Richter geradezu zerpflückt, von einer "Verhöhnung des Rechts, wenn eine derartige Verfälschung als die Äußerung einer Rechtsmeinung etikettiert wird."

Doch das OLG sah das alles offensichtlich anders. Der 1. Strafsenat des OLG Nürnberg hat die Beschwerde von Strate als unzulässig erklärt. In einer Pressemitteilung des OLG heißt es, "die Zurückweisung eines Befangenheitsantrages gegen einen erkennenden Richter [könne] nicht isoliert angefochten werden, sondern nur zusammen mit dem Urteil".

Gegenüber Telepolis zeigte sich Braun noch immer erstaunt über das Vorgehen des Regensburger Gerichts. Er habe sich einen Anwalt nehmen und darum kämpfen müssen, dass der Kostenbescheid niedergeschlagen werden konnte. Braun sagte, er habe damals zeitgleich mit dem Schreiben an die Staatsanwaltschaft auch die bayerische Justizministerin Beate Merk angeschrieben. Mehrmals habe er schriftlich nachfassen müssen, doch eine befriedigende Antwort habe er nicht erhalten. Braun sagte, Merk sei von ihm genau über den Fall Mollath informiert worden. "Man hätte bereits vor etwa zwei Jahren ein Wiederaufnahmeverfahren prüfen können." Merk habe in dem Fall viel zu spät reagiert, so Braun weiter.