Steuerentlastungen für die Reichen

Selbst der ehemalige US-Notenbank-Chef Greenspan zweifelt jetzt an der liberalen Theorie, dass Steuerkürzungen das Wirtschaftswachstum fördern

Der folgende Beitrag ist vor 2021 erschienen. Unsere Redaktion hat seither ein neues Leitbild und redaktionelle Standards. Weitere Informationen finden Sie hier.

Die liberale Theorie geht davon aus, dass Steuersenkungen besonders für die Reichen und Unternehmen zu Wirtschaftswachstum führt und damit – trickle down – Arbeit und Wohlstand für Alle schafft. In Wirklichkeit handelt es sich allerdings um eine Umverteilung des Reichtums nach oben, die in aller Regel noch dazu führt, dass das höhere Vermögen nicht investiert wird, sondern in den Kapitalmarkt fließt ( Niedrige Steuern für Reiche führen nicht zu Wirtschaftswachstum).

Was hierzulande noch immer in den Köpfen der Liberalen schlummert, deren Versprechen auf magische Selbstheilung des Kapitalismus aber immer weniger auf Überzeugung stößt, trifft selbst beim ehemaligen Chef der US-Notenbank, Alan Greenspan, heute auf Skepsis. Greenspan hat während der Bush-Regierung nicht nur die Niedrigzinspolitik zu verantworten, die mit zum Finanzcrash geführt hat, er hat auch immer die liberale Ideologie unterstützt und damit auch den politischen Glauben, dass Steuerentlastungen für die Reichen zu einer Win-Win-Situation für Alle führe, weil schließlich der freie, möglichst ungeregelte Markt alles zum Besten mache, während der Eingriff des Staates oder der Allgemeinheit in das Gewinnstreben des Einzelnen nur des Teufels sein kann.

Eines der großen Programme, mit denen die Bush-Regierung antrat, waren die Steuersenkungen für die Reichen, die natürlich nur deswegen beschlossen wurden, weil sie angeblich Allen nutzen würden. Je weniger der Staat, der unter Bush sich stärker denn je aufblähte, einnimmt und sich einmischt, desto höher der Wohlstand für Alle, so die liberale Religion, die in aller Regel wohl nicht wirklich von den Verfechtern geglaubt wurde, sondern eher als Täuschungsmanöver für die Leichtgläubigen eingesetzt wurde.

Greenspan, nun entlastet von politischen Verpflichtungen, vollzieht eine bemerkenswerte Kehrtwendung. Die von ihm befürworteten Steuersenkungen findet er nun gar nicht mehr gut. Die Ideologie, die dahinter steht, sei gescheitert, Steuersenkungen führen nicht automatisch zu Wirtschaftswachstum, wohl aber zu höherer Staatsverschuldung, zumal wenn man wie Bush nebenbei noch ein paar Kriege finanzieren muss. Jetzt plädiert Greenspan, gegen die liberale Ideologie der konservativen Republikaner, für eine Rückführung der Steuernachlässe, die Bush 2001 und 2003 schon umgesetzt (und davon auch persönlich profitiert) hat.

Greenspan tritt nun praktisch für Steuererhöhungen ein, um das staatliche Defizit zurückzufahren. Die Theorie, dass eine geringere Besteuerung zu Wirtschaftswachstum führe, beruhe auf schlecht begründete Annahmen. Steuerentlastungen seien zwar gut, aber nicht mit geborgtem Geld.