Hat Mundlos versehentlich seinen Terrorfreund getötet?

Eine Analyse der Polizei eröffnet eine neue Version der Selbstmordhypothese, aber was wirklich im Wohnmobil geschah, lässt weiter Platz für Spekulationen

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Die Geschichte des Zwickauer NSU-Terrortrios könnte die Hoffnung keimen lassen, dass es mit all Möglichkeiten der Überwachung und den Befugnissen der Sicherheitskräfte, die nach dem 11.9.2001 drastisch erweitert wurden, doch nicht so weit her sein kann. Entweder haben die Sicherheitsbehörden geschlafen, waren auf dem rechten Auge blind oder haben in irgendeiner Form kooperiert, um die rechten Mörder über 10 Jahre lange ungeschoren ihren Plänen nachgehen und ihre Ferien an der Ostsee inmitten anderer Touristen verbringen zu lassen. Letzteres wäre natürlich fatal für den Rechtsstaat.

Das Unwissen ist jedenfalls erstaunlich groß. Wurde erst vermutet, dass die Polizistin in Heilbronn von Mundlos und Böhnhardt aufgrund eines Beziehungsdelikts erschossen wurde, soll es nun Zufall gewesen sein. Ausgerechnet in Heilbronn sollen die beiden versucht haben, sich Dienstwaffen zu besorgen. Nach der kaltblütigen Tötung der Polizistin im April 2007, die ebenfalls aus Thüringen stammte, hatte das Killertrio allerdings weiterhin unerklärt die Mordserie eingestellt.

Um sich Geld zu verschaffen, haben sie jedoch weiter Banken ausgeraubt, zumindest eine in Arnstadt im September des letzten Jahres. Damals waren sie wie üblich mit Fahrrädern zum Überfall gekommen und mit diesen wieder zu einem Wohnmobil geflüchtet, wo sie erst einmal blieben, um nicht in Kontrollen zu geraten. Als sie dann im November in Eisenach erneut eine Bank überfielen, funktionierte der Trick nicht mehr. Die Polizei kannte nun die Masche und sucht nach Wohnmobilen. Als sich zwei Polizisten dem Wohnmobil der zwei Nazis näherten, haben sich die beiden umgebracht. So lautete die bisherige Version. Mundlos soll Böhnhardt getötet und sich dann selbst erschossen haben.

Das klang schon immer seltsam, schließlich waren die beiden gut bewaffnet, um sich gegen nur zwei Polizisten zu Wehr setzen zu können. Und dass sie Tötungshemmungen hatten, ist schwer zu glauben. Und auch wenn sie ihre Lage als aussichtslos einschätzten und sich keinesfalls verhaftet werden wollen, hätten sie auch ein blutiges Finale veranstalten können, um sich dann selbst zu umzubringen oder sich töten zu lassen. Was unwahrscheinlich ist, nährt das Misstrauen und führt zu Theorien, beispielsweise dass ein Dritter anwesend gewesen sein könnte, der die beiden tötete, oder dass gar ein Nachrichtendienst dahinter stecken könnte.

Wie Hans Leyendecker in der SZ berichtet, soll die Sonderkommission Trio nun nach einer Analyse der Schusswinkel und der Lage der Waffen einer anderen Version nachgehen. Möglicherweise sei Böhnhardt versehentlich von Mundlos durch einen "relativen Nahschuss" erschossen worden:

Nach Feststellungen der Sonderkommission "Trio" kann es so gewesen sein, aber vielleicht war es auch anders. Kriminaltechniker haben die Schusswinkel bestimmt, die Lage der Waffen und der Hülsen im Wohnmobil analysiert, um den Handlungsablauf in dem Caravan zu rekonstruieren. Jetzt wollen die Ermittler nicht mehr ausschließen, dass Böhnhardt versehentlich von Mundlos erschossen wurde und dass dieser nach seinem Fehlschuss das Wohnmobil angezündet und dann sich selbst erschossen hat.

Angeblich soll aus der Maschinenpistole noch ein Schuss abgegeben worden sein, dann soll es eine Ladehemmung gegeben haben. Mundlos könnte daraufhin zur Pumpgun gegriffen haben, dabei könnte sich ein Schuss gelöst haben, der seinen Kollegen traf und tötete. Plötzlich allein und auf sich gestellt, könnte Mundlos Panik erfasst haben, so dass er sich selbst tötete, um nicht der Polizei in die Hände zu fallen. Davor müsste er aber noch den Caravan in Brand gesetzt haben. Hier gibt es aber auch widersprüchliche Aussagen.

Leyendecker gibt sich sicher, dass letztlich irgendwie die Selbstmordhypothese zutreffen muss, für eine dritte Person am Tatort spreche nichts. Wer das behaupte sei ein "Rauner". Die neue Analyse vermag jedoch auch nicht, die Szene zu rekonstruieren, wie Leyendecker einräumt.