Geplantes Abtreibungsgesetz spaltet Spanien weiter tief

Erstmals in der Geschichte kann sich der Justizrat aufgrund eines Patts nicht zu einem Gesetzesentwurf äußern.

Der folgende Beitrag ist vor 2021 erschienen. Unsere Redaktion hat seither ein neues Leitbild und redaktionelle Standards. Weitere Informationen finden Sie hier.

Es ist ein Novum in Spanien, dass sich der Kontrollrat für Justizgewalt (CGPJ) nicht zu einem Gesetzentwurf äußern kann, was eine seiner gesetzlichen Aufgaben ist. Erstmals in fast drei Jahrzehnten ergab sich im CGPJ am Donnerstag ein Patt, weshalb er keine Empfehlung abgeben kann, ob das von der sozialistischen Regierung geplante Abtreibungsgesetz verfassungsgemäß ist.

Das Gesetz sieht eine Fristenregelung vor. Danach dürften Spanierinnen künftig in den ersten 14 Schwangerschaftswochen ohne Begründung abtreiben. Schon das trifft auf eine heftige Kritik der Konservativen, die, angeführt von der reaktionären katholischen Kirche, gegen das Gesetz wettern, von einer "Legalisierung des Massenmords" sprechen und bisweilen auch die Abtreibung mit der Shoa vergleichen. Dabei wird lediglich eine verstaubte Regelung aus dem Jahr 1985 reformiert, die nur in "Ausnahmen" einen straffreien Abbruch nach einer Vergewaltigung, Missbildungen des Fötus und einer physischen und psychischen Gefährdung der Mutter zulässt. Bei schweren Gefahren für die Mutter oder Fehlbildung des Fötus sollen Abtreibungen in Zukunft sogar bis zur 22. Woche möglich sein. Bei Verstößen sollen fortan nur Bußgelder verhängt werden.

An der faktischen Legalisierung der Abtreibung 1985 aufgrund einer "psychischen Gefährdung der Mutter" hatte aber auch die Volkspartei (PP) in acht Regierungsjahren nichts geändert, die nun gegen das neue Gesetz Sturm läuft. Denn die Abtreibung wird seit 1985 meist liberal gehandhabt. Bis zum Referendum 2007 in Portugal, als dort eine Fristenregelung eingeführt wurde, kam es zu einem regelrechten Abtreibungstourismus nach Spanien.

Aber auch progressivere Menschen fragen sich, ob es gut ist, dass fortan 16jährige Mädchen die Schwangerschaft abbrechen können, ohne dass die Eltern informiert werden. Das stehe im Widerspruch damit, dass man Jugendlichen kein Wahlrecht zugesteht, sie mit 16 Jahren kein Bier trinken und keine Zigaretten kaufen können. Bei Tabak und Alkohol wurden die Gesetze und die Kontrolle von den Sozialisten (PSOE) deutlich verschärft.

Im Justizrat zeigt sich erneut, wie politisiert die Justiz in Spanien ist. Die PSOE hat die Vormachtstellung der Konservativen in fünf Jahren nicht aufgebrochen. Der Clinch mit den Katalanen über die ausstehende Finanzierung der Region, hat wohl auch dazu beigetragen, dass sich der Vertreter der konservativen Konvergenz und Einheit (CiU) im Kontrollrat der Stimme enthielt. Ausgerechnet der von der PSOE eingesetzte Präsident, der mit den PP-Richtern stimmte, sorgte für die Blockade.

Mit der Ernennung von Carlos Divar, einem bekennenden Katholiken, haben sich die Sozialisten erneut ein Eigentor bei dem Versuch geschossen, die starke Rechte nicht mit der Benennung des CGPJ-Präsidenten gegen sich aufzubringen. Divar ist zudem Präsident des Obersten Gerichtshofs ist, der sich also als Chef des Kontrollrats selber kontrolliert. Ob die Regierung unter José Luis Rodríguez Zapatero nun das neue Abtreibungsgesetz dem Parlament vorlegt, ist unklar. Dabei wäre eine Verabschiedung sicher, weil die christdemokratische Baskisch-Nationalistische Partei (PNV) es genauso befürwortet wie die Linken im Parlament.