"Himmelfahrtskommando"

In Plauen sollten Hartz-IV-Empfänger ein Waldstück säubern, auf dem Blindgänger vermutet werden

Der folgende Beitrag ist vor 2021 erschienen. Unsere Redaktion hat seither ein neues Leitbild und redaktionelle Standards. Weitere Informationen finden Sie hier.

Das Entfernen von Unterholz in Wäldern ist eine sehr anstrengende und auch unter normalen Umständen nicht ungefährliche Arbeit. Für die Hartz IV-Empfänger, die das Jobcenter Plauen dazu in den Hammerpark schickte, war sie allerdings noch ein Stück gefährlicher: Denn in dem Gehölz werden von Ämtern der vogtländischen Stadt Blindgänger aus dem zweiten Weltkrieg vermutet. Deshalb soll der Kampfmittelbeseitigungsdienst das Grundstück untersuchen und übrig gebliebene Bomben und Granaten entfernen oder sprengen. Damit die KMBD-Mitarbeiter mit ihren Suchgeräten überall gut hinkommen, muss der Boden allerdings möglichst frei zugänglich sein. Darum sollten sich Hartz IV-Empfänger kümmern, die sich die mit der Säuberung beauftragte Chemnitzer "Auffangeinrichtung" Projekt Zukunft vom Plauener Jobcenter zuteilen ließ.

Nachdem die Regionalpresse kritisch über dieses "Himmelfahrtskommando" berichtete, wies das Jobcenter den Projektträger an, die Arbeiten zu stoppen und verlautbarte, man habe vor den Zeitungsberichten nichts über den dort vermuteten Sprengstoff gewusst und sei "sehr betroffen". Tatsächlich gibt es einige Anhaltspunkte, die darauf hindeuten, dass dem so war: Während die Jobcenter-Geschäftsführerin Telepolis bereitwillig Auskunft über den Vorfall gibt und alle Fragen beantwortet, schweigt man bei der Stadt Plauen, die als naheliegender Auftraggeber des Projekts Zukunft in Frage kommt.

Weil der Projekt-Zukunft-Chef W. Urlaub macht und seine Stellvertreterin angibt, nichts zu wissen, lässt sich derzeit nicht feststellen, ob die Stadt die Information, dass auf dem Gelände Blindgänger vermutet werden, an den Träger der Maßnahme weitergab oder nicht. Im Jobcenter hält man den Verein aber nicht für unseriös und weist darauf hin, dass man mit ihm bei Projekten wie einer Kleiderkammer und einer Möbelbörse keine negativen Erfahrungen gemacht habe.

Dass Blindgänger aus dem Zweiten Weltkrieg auch nach vielen Jahrzehnten noch erheblichen Schaden anrichten können, bewies unlängst eine amerikanische Fünf-Zentner-Fliegerbombe, die bei Bauarbeiten im Münchener Stadtteil Schwabing entdeckt wurde und dafür sorgte, dass tausende von Menschen aus den umliegenden Häusern einen Tag lang evakuiert werden mussten. Weil die aus Brandenburg und Thüringen geholten Sprengmeister zu dem Ergebnis kamen, dass bereits ein 100-Gramm-Hammerschlag reichen könnte, um den Blindgänger zur verspäteten Explosion zu bringen, wurde er unter Verwendung von Strohballen als Dämmstoff kontrolliert gesprengt, was zahlreiche Gebäude in der Umgebung in Brand setzte.