Spaniens Opposition nach Rücktritt weiter unter Druck

Nun trat der Ministerpräsident Valencias zurück, der im Herbst auf der Anklagebank Platz nimmt

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Nachdem der Oberste Gerichtshof in Valencia am Freitag bestätigt hatte, dass sich der Regierungschef dieser spanischen Region wegen Korruption vor Gericht verantworten muss, war Francisco Camps abgetaucht. Am späten Mittwoch kam es nun zum Showdown.

Überraschend trat Camps vor die Presse, um nur einen Monat nach seiner Bestätigung im Amt seinen "sofortigen Rücktritt" zu erklären. Das war der Mittelweg, zu dem ihn die Madrider Führung gezwungen hat. Sie erwartet, dass es im Herbst zu vorgezogenen Neuwahlen in Spanien kommt. Dass sich einer ihrer Lokalfürsten ausgerechnet dann wegen Korruption vor Gericht verantworten muss, würde negativ auf den Führer der oppositionellen Volkspartei (PP) Mariano Rajoy ausstrahlen, der sich stets hinter seinen Parteifreund gestellt hat.

Eine Entscheidung musste am Mittwoch fallen, weshalb Rajoy zuvor einen engen Vertrauten ans Mittelmeer entsandt hatte. Federico Trillo sollte Camps zum Einlenken bewegen. Erwartet worden war, dass auch Camps, wie andere angeklagte Parteifreunde, am Mittwoch im Gericht erscheinen würde, um seine Schuld einzugestehen. Er hätte eine harte Geldstrafe akzeptiert, um einen Prozess zu vermeiden. Angesichts der erdrückenden Beweislast hatte er erst kürzlich eingeräumt, doch "Geschenke" von einem Unternehmerring erhalten zu haben. Dabei handelte es sich mindestens um 25 luxuriöse Maßanzüge. Zuvor hatte er über zwei Jahre und drei Monate behauptet, die Anzüge in bar bezahlt zu haben.

Da der Ministerpräsident Valencias lange die Öffentlichkeit belogen hat, wurde er für seine Partei noch stärker zur Belastung. Doch anstatt nun seine Schuld einzuräumen, lässt er es auf einen Prozess ankommen und behauptet, "völlig unschuldig" zu sein. Die Anzüge im Wert von mehr als 14.000 Euro habe er als "Privatperson" erhalten. Mit dieser neuen Version will er im Herbst einen Freispruch erreichen. "Ab jetzt bin ich befreit, um mich gegen diese Niederträchtigkeiten und Hinterhältigkeiten zu verteidigen." Für die Vorgänge machte er die sozialistische Zentralregierung verantwortlich, die eine Kampagne gegen ihn orchestriert habe. Deren "brutales und hartes System" werde bei den Wahlen abgestraft werden. "Ich nehme dieses persönliche Opfer auf mich, damit Mariano Rajoy der nächste Regierungschef wird." Camps fügte an, "diese große Lüge" dürfe kein "kleines Hindernis" auf dem Weg der PP in den Regierungspalast sein.

Der nun gewählte Mittelweg birgt aber weiterhin Gefahren für Rajoy und die PP. Denn nun wird erstmals über den weit verzweigten Korruptionsskandal verhandelt. Rajoy hat nur verhindert, dass über einen seiner Amtsträger wegen Rechtsbeugung, Bestechung und Wahlvergehen verhandelt wird. Er hätte das Problem schon umgehen können, indem Camps nicht erneut als Kandidat für die Wahlen im Mai aufgestellt worden wäre, die er mit absoluter Mehrheit gewonnen hat.

So wird also doch noch vor den Wahlen im Gerichtssaal etwas Licht auf den "Gürtel"-Skandal geworfen. Dabei handelt es sich wohl um den größten Korruptionsskandal in der Geschichte der großen Oppositionspartei. Der Name ist die deutsche Übersetzung des Nachnamens des Unternehmers, der im Zentrum der Affäre steht. Francisco Correa soll sich viele Jahre mit Geschenken und Geld von PP-Politikern öffentliche Aufträge für seine Firmen verschafft zu haben. Begonnen habe seine Karriere unter der PP-Regierung von José María Aznar von 1996 bis 2004. Neben einer illegalen Finanzierung der PP in Valencia wird auch vermutet, dass auch die Heimatregion von Rajoy betroffen ist. In abgehörten Gesprächen hatte der Ex-Organisationssekretär der PP in Galicien von Konten in der Schweiz als "großen juristischen Problemen" gesprochen. Seinen Anwalt bat Pablo Crespo, die Konten aufzulösen. Sogar der PP-Schatzmeister der Zentrale in Madrid, musste zurücktreten, der von Correa 1,35 Millionen Euro erhalten soll. Insgesamt wird vermutet, dass hinter dem Skandal eine illegale Parteienfinanzierung der PP steht.

Auch nach dem Rücktritt stärkte Rajoy seinem Lügen-Parteifreund den Rücken. Fragen der Presse wollte er sich nicht stellen. Er pochte in einer Presseerklärung auf die "Unschuldsvermutung". Camps Rücktritt unterminiere seine "makellose" Regierungsführung nicht. Seine "Meinung über Francisco Camps und seine Ehrhaftigkeit" sei nicht getrübt, weshalb der PP-Chef erneut Camps seine "Wertschätzung" und "Respekt" [http://imagenes.publico-estaticos.es/resources/archivos/2011/7/20/1311178637645comunicado%20rajoy.pdf aussprach. Kein Wunder dass ihm der sozialistische Regierungssprecher José Blanco unter die Nase rieb, Rajoy solle seine Position zu Camps klären. Erst habe er den PP-Koordinator für Justiz geschickt, um Camps zu bewegen "seine Schuld einzugestehen", aber nun erklärt, "in seine Unschuld zu vertrauen".