Was macht das KSK in Afghanistan?

"Militärisch nicht angemessen" - Guttenbergs Neubewertung des Bombenabwurfes auf die Tanklaster bei Kundus führt zu immmer neuen Teilwahrheiten und neuen Fragen

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Was hat den Verteidigungsminister zu seiner "Neubewertung" des deutschen Bombenbefehls veranlasst?

Dass neue Berichte eine Neubewertung des Luftschlages am 4.September in Kundus nötig machen könnten, hatte Guttenberg schon letzte Woche, am 26. November, angekündigt. Zu diesem Zeitpunkt sorgte ein Feldjäger-Bericht, den die Bild-Zeitung in Auszügen veröffentlicht hatte, für größere Erregungswellen in der Afghanistan-Debatte, die im Bundestag stattfand und von den Medien weiter aufgemischt wurde. Informationspannen war das Signalwort, das bis in die vergangene Woche hineinleuchtete. Zwischendrin musste ein Minister gehen, ein Staatssekretär und ein Generalinspekteur der Bundeswehr. Am Donnerstagabend dann der Auftritt Guttenbergs mit den Schachtelsätzen, die schließlich die Neubewertung auspackten: Der Verteidigungsminister findet den Luftschlag nicht mehr militärisch angemessen. Begründung: ein neues Gesamtbild, das sich aus neuen Dokumenten ergebe:

"Diese weisen im Gesamtbild gegenüber dem Com-Isaf-Bericht deutlicher auf die Erheblichkeit von Fehlern und insbesondere von Alternativen hin."

Seither geht die Frage um, welche Erkenntnisse denn auf dem Weg zur Umkehr von "militärisch angemessen" zu "militärisch nicht angemessen" lagen. Eine mögliche schnelle Antwort lieferte heute morgen der Spiegel, der sich rühmte, an Auszüge des Nato-Abschlussberichts gelangt zu sein. Laut Spiegel-Bericht hat die Besatzung der F-15-Jagdbomber ausgesagt, dass sie dem deutschen Gegenüber am Funk mehrmals - insgesamt 5 mal - angeboten habe, Tiefflüge zur Warnung zu fliegen:

"F-15 recommended a SHOW OF FORCE five times throughout the mission in order to disperse the people"

Darüberhinaus hätten die amerikanischen Piloten dem "Fliegerleitoffizier" des befehlsgebenden deutschen Oberst Klein mit dem Funk-Codenamen "Red Baron" widersprochen, als dieser sechs Bomben forderte: "The crew told him that this was not going to happen". Man einigte sich auf zwei Bomben, die weit über Hundert Menschen das Leben kostete, darunter auch Zivilisten, was auch vom deutschen Verteidigungsministerium nicht länger in Abrede gestellt wird.

Es sieht ganz so aus, als ob die Aussage der Bombenpiloten genau die "Alternativen" aufzeigen, von denen Guttenberg in seiner Rede spricht; Alternativen, die ihm nun als neue Einsicht dienen, den Bombenbefehl als "nicht militärisch angemessen" zu beurteilen.

Die zivilen Toten durch den Luftschlag, die offensichtlich erst mit dem Feldjägerbericht deutlich ins Bewusstsein des deutschen Verteidigungsministers gerückt wurden, gehören dann zum anderen Kriterium, auf das sich die Neubewertung stützt: die "Erheblichkeit von Fehlern". Hätte Guttenberg das nicht früher wissen können?

Druck durch andere, durch KSK-Kräfte?

Geht es nach der Lagebeurteilung der FAZ, die schon gestern von der 5fachen Nachfrage der Boberpiloten wusste, so standen die deutschen Bombenbefehlsgeber unter gehörigen Druck, da sich unter den Taliban gesuchte Anführer befanden, von denen man überzeugt war, dass sie für mehrere Anschläge verantwortlich waren, denen kurz zuvor Soldaten zum Opfer gefallen waren.

Womöglich, so die Zeitung, "wurde dieser Druck, der aus der Situation heraus selbst groß genug gewesen sein dürfte, von anderen noch verstärkt". Wer diese anderen sein könnten, deutet Bericht nur sehr diskret an. Es sei, so wird in der heutigen Printausgabe ergänzt, "unbekannt, wo sich der Feuerleitoffizier (JTAC) mit dem Codenamen 'Red Baron' damals befunden habe. Hingewiesen wird nur auf den JTAC-Bediener, einen Oberfeldwebel. Der war kein Angehöriger der Spezialkräfte (KSK). Das Rover-Empfangsgerät, auf dem in Kundus die Luftbilder mitverfolgt werden konnten, befand sich jedoch in der Operationszentrale der sogenannten Task Force 47 - dem KSK-Hauptquartier".

Klar ist, dass die Fragestunde für den Verteidigungsminster mit Hang zum Klartext bei gleichzeitiger Neigung zur Nebeltaktik noch nicht zu Ende ist. Bislang zählt man zwölf internationale, afghanische und deutsche Berichte zum Kleinschen Bombenbefehl und dessen Folgen - und noch immer keine Klarheit.