Wenn der Mitarbeiter als Sicherheitsrisiko behandelt wird

Entwurf zum "Beschäftigtendatenschutzgesetz": Kritiker sehen eine Ausweitung der legal möglichen Überwachung

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Ein Gesetzentwurf der Bundesregierung, der noch im Januar im Bundestag verabschiedet werden soll, will die heimliche Videoüberwachung am Arbeitsplatz verbieten, die legale Überwachung aber ausweiten. Kaum wurde das Vorhaben am Wochenende bekannt, gab es Kritik von Gewerkschaften und Wirtschaftsverbänden. Der IG-Metall-Justiziar Thomas Klebe bezeichnet den Entwurf als Katastrophe.

"Bei der offenen Videoüberwachung bedeuteten die Regelungen eine Verschlechterung gegenüber der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts. Während sie bisher nur vorübergehend und nur aus konkretem Anlass erlaubt worden sei, solle sie nun ohne zeitliche Beschränkungen und auch zur Qualitätskontrolle möglich sein: Das ist Vorratsdatenspeicherung."

Auch der DGB und die Dienstleistungsgewerkschaft verdi haben Widerstand gegen den Gesetzentwurf angekündigt. Politiker aus den Koalitionsparteien sehen es als Erfolg, dass künftig Überwachungen im Sanitärbereich oder in Umkleidekabinen nicht mehr möglich sein sollen. Damit machen sie aber nur deutlich, wie weit verbreitet und ausufernd die bisherige Überwachungspraxis war.

Kritik am Gesetzesvorhaben der Bundesregierung kommt auch aus dem Unternehmerlager. Sie richtet sich vor allem gegen die geplanten Regelungen, wonach Facebook und andere soziale Netzwerke künftig für Arbeitgeber auch dann tabu sein sollen, wenn sie bereits mit Betriebsräten andere Regelungen vereinbart haben. Sollte das Gesetz wie geplant im Sommer in Kraft treten, müssten zahlreiche Konzerne solche betriebsinternen Vereinbarungen mit wesentlich geringeren Datenschutzregelungen verändern.

Deshalb hatten zahlreiche Wirtschaftsverbände gehofft, dass sich die Bundesregierung mit der gesetzlichen Regelung noch Zeit lässt, weil bis dahin die betriebsinternen Regelungen gelten. Tatsächlich schien es lange so, als würde auch der Beschäftigtendatenschutz zu den Gesetzesvorhaben gehören, die in die nächste Legislaturperiode verschoben werden.

Ständig neue Fälle von Mitarbeiterüberwachung

Dass die Regierungskoalition nun doch in dieser Legislaturperiode den Datenschutz am Arbeitsplatz regeln will, liegt an der nicht abreißenden Serie von bekannt gewordenen Mitarbeiterüberwachungen. Besonders im Dienstleistungsbereich scheint das Motto "Vertrauen ist gut – Kontrolle ist besser" längst zur Richtschnur für viele Betriebe geworden sein.

Auch im neuen Jahr wurde wieder ein Fall von heimlicher Mitarbeiterüberwachung bekannt. Wie der Spiegel berichtete sollen Mitarbeiter beim Discounter Aldi-Süd mit versteckter Kamera beobachtet worden sein. Die Firma wies die Vorwürfe zurück und erklärte, wenn überwacht worden sei, dann hätten die Maßnahmen zur Aufdeckung von Straftaten gedient. Mit dieser Begründung werden bekannt gewordene Überwachungsfälle am Arbeitsplatz generell gerechtfertigt.

Der Detektiv plaudert gegenüber dem Spiegel recht detailliert aus dem Nähkästchen. "Ich hatte weiterhin den Auftrag, alle Auffälligkeiten zu melden. Also auch, wenn ein Mitarbeiter zu langsam arbeitete, ich von einem Verhältnis der Mitarbeiter untereinander erfahren habe oder ich andere Details aus dem Privatleben mitbekam, zum Beispiel im Hinblick auf die finanzielle Situation des Mitarbeiters", berichtete der Detektiv. Dieses Vorgehen mag zwar dem offiziellen Firmen-Selbstverständnis widersprechen, ist aber mittlerweile Alltag im Arbeitsleben.

Ob bei Lidl oder bei der Steakhauskette Maredo, die heimliche Mitarbeiterbeobachtung ist anscheinend längst Alltag, aber nicht unbedingt legal. Die Bundesarbeitsgerichte haben der Videoüberwachung am Arbeitsplatz enge Grenzen gesetzt.

Kein Thema für die Datenschutzbewegung?

Bemerkenswert ist, dass die Überwachung am Arbeitsplatz bei der Datenschutzbewegung, die sich in den letzten Jahren in Deutschland entwickelt hat, nicht im Fokus steht. Sicher wird das Thema vor allem von den an den Bündnissen beteiligten Gewerkschaften angesprochen. Aber generell ist der Widerstand wesentlich stärker, wenn die Bundesregierung oder EU-Gremien Überwachungsmaßnahmen planen, als wenn sie in den Unternehmen praktiziert wird.

In der Vergangenheit monierten Erwerbslosenverbände bereits, dass auch die Pflicht von ALG II-Empfängern, ihre Konten offenzulegen, wenig Kritik bei der Datenschutzbewegung auslöste.