Passivrauchen am Pullover und am Boden

USA: Wissenschaftler warnen vor den Gefahren des "Third-Hand Smoke"

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Wer als rauchender Vater glaubt, dass er draussen auf dem Balkon oder am geöffneten Fenster auf der sicheren Seite ist, was die Gefährdung der kleinkindlichen Mitbewohner angeht, täuscht sich. Amerikanische Wissenschaftler haben nun in eine Gefahr des Tabakrauches identifiziert, die bislang nur eine junge Mutter aus meiner Nachbarschaft kannte, die seit jeher sehr darauf achtete, dass keine Raucher, egal ob mit oder ohne Zigarette, in die Nähe ihrer kleinen Süßen kamen, weil Raucher, wie sie den erstaunten Kleinkindbewunderern deutlich zu verstehen gab, "immer Gift abgeben" würden.

Was mancher Raucher als fragwürdige Metapher bzw. "typische Übertreibung" der Mutter abtun könnte, haben Forscher des MassGeneral Hospital for Children vollkommen ernstgenommen, wie dies derzeit in einem Artikel der New York Times nachzulesen ist. Ihre neugeschaffene Metapher für jene Gifte, die ein Raucher auch dann abgibt, wenn er nicht raucht, lautet: "Third-Hand Smoke". Gemeint ist damit eine "unsichtbare, aber toxische Mischung aus Gasen und Partikeln, die in den Haaren und der Kleidung der Raucher hängen - wie auch in Kissen und Teppichen - und dort, lange nachdem der Second-Hand Smoke aus dem Raum verschwunden ist, verweilen".

Diese Rückstände sind nach dem Bericht der Zeitung alles andere als harmlos: Schwermetalle, Karzinogene und radioaktive Materialien, "die junge Kinder auf ihre Hände bekommen könnten und in ihre Körper aufnehmen könnten, besonders wenn sie auf dem Boden krabbeln oder spielen". Erwähnt werden im Einzelnen: Cyanwasserstoff (Blausäure), Butan, Toluol, Arsen, Blei, Kohlenstoffmonoxid und Polonium Isotop 210.

Der Forschungsleiter der Third-Hand-Smoke-Studie Jonathan P. Winickoff erklärt gegenüber der Zeitung, dass man mit dem Begriff des "Dritter-Hand-Rauchs" ein Phänomen erfassen will, das zwar jede Nase kennt - etwa wenn ein Raucher, von seiner Frischluftpause zurück, den Aufzug betritt -, über dessen Gefahren sich aber kaum ein Mensch bewusst sei; zumindest wenn man die Praxis vieler Raucher als Maßstab nimmt:

"When their kids are out of the house, they might smoke. Or they smoke in the car. Or they strap the kid in the car seat in the back and crack the window and smoke, and they think it’s okay because the second-hand smoke isn’t getting to their kids."

Die Nase, die sich über den abgestandenen Rauch rümpft, täuscht sich allerdings nicht, so Winickoff:

"Your nose isn’t lying. The stuff is so toxic that your brain is telling you: ’Get away.’"

In den Zahlen der landesweiten Studie, die Winickoff et al. in den USA durchgeführt haben, sehen die Reaktionen auf das Phänomen des Third-Hand Smoke so aus: 65 Prozent der Nichtraucher und 43 Prozent der Raucher stimmten der Aussage des Satzes zu, wonach "das Einatmen der Luft in einem Raum, in dem gestern geraucht wurde, die Gesundheit von Heranwachsenden und Kindern schädigen kann".

Das Phänomen sei noch neu, nach dem Ausdruck Third-Hand Smoke hätte man deshalb gar nicht erst explizit gefragt, so der Studienleiter gegenüber der New York Times. Aber, so Winickoff, wenn die Einsicht in die Gefährlichkeit dieser Rauchrückstände einmal so groß sei wie jetzt schon das Bewusstsein für die Risiken des Passivrauchens (Second-Hand Smoke), dann hätte das ganz sicher größere Konsequenzen auf das Verhalten - und die Gesundheitspolitik. Dann wäre die Wahrscheinlichkeit größer, dass ein striktes Rauchverbot zuhause befolgt würde.