"Ständige Erinnerung an die Opfer des Wahns"

Eine Trierer Pfarrei kassiert bis heute Zins aus dem Vermögen eines verbrannten Hexenmeisters

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Trier kennt man im Zusammenhang mit Hexenverbrennungen unter anderem deshalb, weil dort der Jesuit Friedrich Spee von Langenfeld begraben ist – der wichtigste zeitgenössische Kritiker solch religiös begründeter Verfolgungen. Auf den 1635 verstorbenen Autor der Cautio Criminalis ist man in der ältesten deutschen Stadt heute so stolz, dass es einen Friedrich-Spee-Chor, ein Friedrich-Spee-Gymnasium, eine Friedrich-Spee-Gesellschaft und eine eine de:official&q=Spee-Stra%C3%9Fe++trier&bav=on.2,or.r_gc.r_pw.r_qf.&biw=1440&bih=685&um=1&ie=UTF-8&sa=X&ei=3VtYULDdAqrV4QSYnYEY&ved=0CAgQ_AUoAg: Speestraße gibt.

Ein weniger bekannter Trierer war der ehemalige Hexenrichter Flade,_Dietrich: Dietrich Flade, der 1589 selbst als Hexenmeister verbrannt wurde. Man warf ihm unter anderem vor, im Namen des Satans Schnecken in Kornfelder geworfen zu haben. Vor seinem Ableben hatte der in Josefine Wittenbechers Roman Tödliche Feuer verewigte Doktor beider Rechte der Stadt aus seinem Privatvermögen 4.000 Gulden geliehen. Den Rückzahlungs- und Verzinsungsanspruch daraus erbte nach Flades Hinrichtung der Erzbischof und Kurfürst Johann_%28Erzbischof_von_Trier%29: Johann VII. von Schönenberg, der ihn an fünf Pfarreien weiterreichte. Die Pfarrei Liebfrauen kassiert deshalb noch heute jährlich etwa 360 Euro aus der Stadtkasse. Als die vor zwei Jahren anfragte, ob man den alten Posten nicht streichen könne, erhielt sie von der Pfarrei die Antwort, "dass der Titel im Haushalt erhalten bleiben müsse", weil er "an dieser Stelle eine ständige Erinnerung an die Opfer des Hexenwahns" sei. Außerdem verwende man den Zins nicht – wie vom Kurfürsten vorgesehen – "zur Aufbesserung des Pfarrersgehalts", sondern für die Versorgung von Obdachlosen.

Nun hat der Trierer Oberbürgermeister Klaus Jensen angekündigt, dem Beispiel des nördlichen Nachbarn Köln zu folgen und die in der Ortschaft verurteilten Hexen zu rehabilitieren. Dies geschieht auf Betreiben von Herta Häfele-Kellermann, die sich seit Jahren für ein stärkeres Gedenken von Frauen und Männern einsetzt, die im Mittelalter und in der frühen Neuzeit religiösen Anklagen zum Opfer fielen. In Köln hatte sich der Stadtrat im Juni nach einem Antrag des pensionierten Pfarrers Hartmut Hegeler auf eine "sozialethische" Rehabilitation von 38 Verbrannten geeinigt. Eine juristische Rehabilitation unterblieb, weil sich die Ratsherren nicht als Nachfolger der damaligen Gerichte sehen wollten.