Griechenland-Referendum sorgt für Börsen-Crash

Die Freude über die Gipfel-Ergebnisse ist Entsetzen gewichen und am Mittwoch gibt es einen neuen Krisen-Gipfel

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Dass der Börsen-Jubel über die Ergebnisse des EU-Gipfels nicht lange halten würde, war klar. Zwar wurde am Tag nach dem Gipfel ein regelrechtes Kursfeuerwerk abgebrannt, doch steigende Zinsen für italienische Staatsanleihen machten schon letzte Woche deutlich, dass die Krise eher heftiger weiter schwelt. Die verheerenden Wirtschaftsdaten in Spanien führten zudem ebenfalls schnell wieder zur Ernüchterung und am Montag brach der deutsche Leitindex DAX um gut 3,2% ein.

Doch so richtig in den Keller ging es am Dienstag, nachdem Griechenland Schockwellen ausgesendet hat. Denn Ministerpräsident Giorgos Papandreou hat angekündigt, er wolle die Bevölkerung in einem verbindlichen Referendum über die neue Griechenland-Nothilfe abstimmen lassen. Zudem will er sich einer Vertrauensabstimmungen stellen. Sollte der Regierungschef die Abstimmung in der Nacht vom Freitag auf Samstag überstehen, dann soll das Volk zur Abstimmung gerufen werden.

Wenn er die Abstimmung verliert, dann hat Griechenland keine Regierung mehr und auch das dürfte die Lage in Euro-Krise nicht gerade beruhigen. Die Zinsen für zehnjährige italienische Staatsanleihen sind am Dienstag auf ein neues Rekordhoch geschossen. Der Aufschlag zu Bundesanleihen explodierte von 406 Basispunkten am Montag auf 453. Dass Land muss also schon gut 4,5% höhere Zinsen als Deutschland bieten. Die Grenze von 7%, an der Griechenland, Irland und Portugal unter den Rettungsschirm gehen mussten, ist nun in greifbare Nähe gerückt.

Angesichts der Tatsache, dass die Griechen die neue Nothilfe ablehnen könnten, wird nun real das Szenario einer Staatspleite durchgespielt. Denn ein Nein zu den Beschlüssen würde alle Ergebnisse des letzten EU-Gipfels hinfällig machen. Bei einer dann zu erwartenden Staatspleite würde es nicht bei dem schlappen Schuldenschnitt von 50% bleiben. Banken, Versicherungen und Rentenfonds müssten dann mit deutlich höheren Abschlägen rechnen. Deshalb gingen die Börsen am Dienstag in den freien Fall über. In Frankfurt verlor der DAX teilweise sogar mehr als 6%. Ganz ähnlich sah es auch in Paris, Mailand und Madrid aus. Der DAX ging schließlich mit einem Minus von 5% aus dem Handel.

Offensichtlich ist es Papandreou leid, von allen Seiten zum Sündenbock gemacht zu werden. Er will sich deshalb vom Souverän ein Plazet für das weitere Vorgehen holen. Er weiß, dass ein zu schwacher Schuldenschnitt beschlossen wurde, der die Probleme des Landes nicht lösen kann, weil die Staatsverschuldung bei enormen 120% des Bruttoinlandsprodukts (BIP) bleibt. Zur Konsolidierung müsste das Land aber noch lange den verrückten Sparkurs fortsetzen, dabei gleitet das Land längst von der Rezession in die Depression ab.

Seit der Ankündigung überschlagen sich die Nachrichten. Bundeskanzlerin Angela Merkel wird schon am Mittwoch nach Cannes reisen, um dort noch vor dem Beginn des G-20-Gipfels am Donnerstag einen europäischen Krisengipfel abzuhalten. Neben Papandreou werden auch der französische Gastgeber Nicolas Sarkozy und Vertreter europäischer Institutionen und des Internationalen Währungsfonds (IWF) teilnehmen. Es gehe um die "umgehende Umsetzung" der Gipfelbeschlüsse. "Deutschland und Frankreich wünschen, dass in Abstimmung mit ihren europäischen Partnern und dem IWF bald ein Zeitplan zur Umsetzung dieser Vereinbarung angenommen wird", erklärte Regierungssprecher Steffen Seibert.

Papandreous regierenden "Gesamtgriechische Sozialistische Bewegung" (PASOK) gehen derweil die Abgeordneten von der Stange. Die Abgeordnete Milena Apostolaki verließ die Fraktion und will nun als unabhängige Abgeordnete weiterarbeiten. Die knappe Regierungsmehrheit ist damit auf 152 von insgesamt 300 Abgeordneten zusammengeschrumpft. In seiner Partei wird zudem der Ruf nach vorgezogenen Neuwahlen lauter. Mehrere Parlamentarier haben sich offen mit der Opposition dafür ausgesprochen.

Die Opposition wendet sich gegen das Referendum und fordert erneut vorgezogene Wahlen als "nationale Notwendigkeit". Es ist klar, dass die konservative Nea Dimokratia die Lage nützen will, um zurück an die Macht zu kommen, die sie erst vor zwei Jahren verloren hat . Es ist die Partei, die Brüssel massiv mit dem Defizit belogen hatte, womit die Griechenland-Krise erst virulent wurde. Der Oppositionsführer Antonis Samaras meint nun, Papandreou setze mit seinen Plänen für einen Volksentscheid die Mitgliedschaft Griechenlands in der EU aufs Spiel. Man werde derlei "opportunistischen Experimente" nicht mitmachen.

Der Kurs der Nea Dimokratia erinnert an den Kurs der portugiesischen Rechten. Auch die stemmte sich gegen den Sparkurs der sozialistischen Regierung und brachte sie schließlich zu Fall. Doch schon bevor sie an der Macht waren, stimmten sie dem schärferen Sparkurs zu, den die Troika aus EU, Europäischer Zentralbank (EZB) und IWF dem Land aufgezwungen haben. Doch dabei ist es nicht geblieben, sondern die Konservativen lassen die einfache Bevölkerung in Portugal den Gürtel immer enger schnallen. Ähnlich dürfte es aussehen, wenn die Nea Dimokratia wieder an die Macht kommt. Dass sie bei neuen Verhandlungen mit der Troika bessere Bedingungen erhält, gilt als aussichtslos.

Ist eine Volksabstimmung vielleicht der Befreiungsschlag, mit dem eine Klärung erreicht werden kann? Der SPD-Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier jedenfalls lobte Papandreou für seinen "riskanten, aber mutigen Weg", weil er sich für die Reformen die breite Unterstützung der Bevölkerung holen wolle, die er auch brauche. Auch die Grünen und die Linke begrüßen den Schritt. Linksfraktionschef Gregor Gysi erklärte, die Regierung habe erkannt, dass sie bisher "gegen die Bevölkerung" regiert habe. Nun sei es ein wichtiges Signal, dass man die Bevölkerung einbinden wolle.