Althusmann: Häuptling fremde Feder?

Ein Bericht der "Zeit" enthüllt die mangelnden Qualitätsstandards der Doktorarbeit des Präsidenten der Kultusministerkonferenz, der zwar kein dreistes Copy&Paste betreibt, aber doch vor allem abkupfert

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Verschleiertes Kopieren, kosmetische Eingriffe, fast identische Übernahmen, identische Übernahmen ohne Anführungszeichen, fremde Feder (wo der Leser irregeführt wird, von wem Verweise, Inhalte und der ausgedrückte Gedanke ursprünglich stammen), Angabe falscher Seitenzahlen (nicht aus dem Originaltext, sondern aus einer Fußnote der Sekundärliteratur übernommen), unvollständige Zitate und und und.. - auf 114 von insgesamt 261 Seiten der Doktorarbeit Bernd Althusmanns präsentiert Die Zeit-Online heute eine Vielzahl, mit gelber Farbe, grau oder blau gefärbten Unterlegungen und roten Pfeilen markierte, "beanstandete Stellen", die nicht den wissenschaftlichen Anforderungen, die an eine solche Arbeit gestellt werden, genügen.

Die Universität Potsdam will den Vorwürfen im Fall Althusmann nachgehen, wie die Zeitung berichtet.

Kein Fall Guttenberg

Der Fall des niedersächsischen Bildungsministers und derzeit amtierenden Präsidenten der Kultusministerkonferenz unterscheide sich von den Fällen Guttenberg oder Koch-Mehrin: "Ob ein bewusster Täuschungsvorsuch vorliegt, ob die Arbeit gar teilweise oder vollständig als Plagiat zu werten ist", ist nach Darstellung der Zeit noch unklar. Zwar zeigen die vielen gelb markierten Stellen in der oben verlinkten PDF-Datei, dass nur wenig weiße Flecken in der Doktorarbeit zu finden sind. Und es also wenig Stellen gibt, die tatsächlich von einer Eigenleistung Althusmanns zeugen. Ob die beanstandeten Stellen allerdings Plagiate sind - was manche von der Zeit befragte Juristen durchaus so sehen wollen -, das sei nur in einer sorgfältigen und aufwändigen Untersuchung durch die Universität zu klären.

"Dreiste Übernahmen" und "wortwörtliches Abschreiben" sind in der Arbeit nicht zu entdecken, heißt es. Althusmanns Arbeit lebt von einer anderen Art des "Abkupferns", von verschleierten Zitaten. Keine Copy&Paste-Übernahmen, die mit Google oder einer Plagiatssoftware zu finden wären, weswegen PlagiPediWiki schreibe, dass die Arbeit "mit großer Wahrscheinlichkeit nicht zu beanstanden" sei. Gleichwohl finden sich in der Dissertation derart viele mangelhaft oder gar nicht gekennzeichnete Übernahmen, dass, wenn sie gekennzeichnet wären, offensichtlich würde, "wie stark seine Dissertation von fremden Gedanken lebt". Da sich in der Arbeit aber auch korrekte Zitate fänden, liege nahe, dass der Autor absichtlich verschleiere, "um die kargen wissenschaftlichen Eigenleistungen zu kaschieren".

"Denn wenn man sämtliche korrekten Zitate, halb korrekten Übernahmen und offensichtlichen Abkupfereien abzieht, bleibt nicht mehr sehr viel übrig, was die analysierten Kapitel als eigenständige Forschungsarbeit qualifiziert. Der Autor kompiliert, statt zu analysieren, er wärmt Altes auf, statt Neues zu präsentieren. Die Dissertation entpuppt sich als Wiederaufguss."

Darin liegt für die Zeit das Exemplarische des Falls: Die Untersuchungskommission der Universität Potsdam könne dafür sorgen, dass die Grenzen zwischen "schlampiger Wissenschaft", "Patchwork" und einem genuinem Forschungsbeitrag, den eine Dissertation dem Anspruch nach sein soll, wieder deutlich werden.

Althusmann äußerte sich zur Sache mit den Worten, er sei sich "keiner Schuld bewusst", er habe die Arbeit "nach bestem Gewissen" angefertigt.

"Erschöpfungssyndrom"

Welche Note Althusmann für die Arbeit mit dem abschreckenden Titel "Prozessorganisation und Prozesskooperation in der öffentlichen Verwaltung - Folgen für die Personalentwicklung" erhalten hat, geht aus dem Zeitungsbericht nicht hervor.

Dafür aber, dass die Dissertation von den Gutachtern der Universität zwei Mal zurückgewiesen wurde, was eine Überarbeitung nötig machte. Insgesamt sieben Jahre soll der Bildungspolitiker an der Dissertation gearbeitet haben.

"Das Erschöpfungssyndrom scheint am Ende auch die Gutachter erfasst zu haben. Da sich alle schon so viel Mühe gegeben hätten, erinnert sich einer der Prüfer an die Stimmung im Ausschuss, 'haben wir das Ding dann über den Zaun gehoben'."