Italien hofft auf Berlusconis Rücktritt

Die Zinskosten für Italien haben einen neuen Rekordwert erreicht und nähern sich der Absturzmarke von 7 Prozent

Der folgende Beitrag ist vor 2021 erschienen. Unsere Redaktion hat seither ein neues Leitbild und redaktionelle Standards. Weitere Informationen finden Sie hier.

Seit Monaten steigen die Zinskosten in Italien ungebremst. Im August hatten der Zinsaufschlag (Spread) zu dem Risikoaufschlag Spaniens aufgeschlossen, nachdem Silvio Berlusconi für einen Börsen-Crash sorgte. Doch dann setzte sich Italien sogar immer deutlicher von Spanien ab. Die Zinsen für zehnjährige italienische Anleihen stiegen immer höher über die für spanische Anleihen. Inzwischen hat sich nicht Spanien zum Absturzkandidat entwickelt sondern Italien.

Am heutigen Dienstag sind nun die Renditen für italienische Staatsanleihen angesichts der politischen Unsicherheit im Land auf neue Rekordwerte gestiegen. Der Spread zu Bundesanleihen stieg inzwischen auf fast 500 Basispunkte, während Spanien bei 400 Basispunkten liegt. Die Rendite für zehnjährige italienische Staatsanleihen war schon gestern vorübergehend bis auf 6,68 Prozent geklettert. Der Druck wurde wieder etwas geringer, nachdem Gerüchte über einen bevorstehenden Rücktritt Berlusconis die Runde machten. Da Berlusconi, der sich selbst als unersetzlich wähnt, diese prompt dementiert hat, stiegen die Renditen nun am Dienstag wieder auf einen neuen Rekordwert und erreichten mit 6,74% eine für Italien untragbare Höhe.

Italien hat nun das Zinsniveau und den Spread erreicht, an denen Griechenland, Irland und Portugal unter den Rettungsschirm gehen mussten. Italien kann mit Staatsschulden von 2 Billionen Euro derlei Zinsen nicht verkraften, denn die Staatsverschuldung lag Ende 2010 bei 119 Prozent der jährlichen Wirtschaftsleistung. Nur Griechenland ist höher verschuldet, Irland und Portugal mussten trotz niedriger Staatsverschuldung schon früher aufgefangen werden.

Das Verhalten an den Geldmärkten zeigt, dass man sich inzwischen auch dort danach sehnt, dass die Chaos-Regierung unter Berlusconi endlich abtritt. Denn der Ministerpräsident hat durch sein lavierendes, unentschlossenes und widersprüchliches Handeln inzwischen sogar beim italienischen Unternehmerverband die Glaubwürdigkeit verloren. Der heutige Dienstag könnte nun sein Schicksal besiegeln. Der Koalitionspartner Lega Nord setzt sich immer deutlicher von Berlusconi ab. Nun sprach sich Innenminister Roberto Maroni für einen Wechsel aus und es drängt sich das Vorbild Griechenland auf: "Wenn ich mir die jüngsten Meldungen anschaue, scheint es keine Mehrheit mehr zu geben."

Damit sprach Maroni auf die heutige Abstimmung im Parlament an. Denn dort wird zum zweiten Mal über den Rechenschaftsbericht der Regierung für 2010 abgestimmt. Sollte er erneut nicht gebilligt werden, müsste der Cavaliere entweder zurücktreten oder auf Anordnung von Präsident Napolitano erneut die Vertrauensfrage stellen. Deren Ausgang wäre fraglich, da inzwischen nach Schätzungen 20 bis 40 Abgeordnete dem Ministerpräsidenten die Gefolgschaft verweigern. Er benötigt 316 Stimmen und derzeit wird davon ausgegangen, dass er bestenfalls auf 306 bauen kann. Wie im Fall Griechenland dürfte auch in Italien bald eine Übergangsregierung bis zu Neuwahlen die Geschicke des Landes in die Hand nehmen.

Komischerweise üben Bundeskanzlerin Angela Merkel und der französische Präsident Nicolas Sarkozy nicht den Druck auf den konservativen Berlusconi aus, den sie auf den griechischen Sozialisten Giorgos Papandreou ausgeübt hatten. Dabei wurde nicht in Griechenland mit dem Feuer gespielt, sondern in Italien steht der Euro zur Diskussion. Allen müsste klar sein, dass auch ein Rettungsfonds, der auf ein Billion Euro gehebelt wird, für Italien nicht ausreichen würde.