Forenredakteur muss in Beugehaft

Stehen Forenbetreibern journalistische Zeugnisverweigerungsrechte zu?

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Der Forenredakteur Rasmus Meyer, der den Namen eines Forenkommentators nicht preisgeben will, muss für fünf Tage hinter Gitter. Das Landgericht Duisburg hat nunmehr Meyers Beschwerde gegen eine vom Amtsgericht Duisburg verhängte Ordnungshaft verworfen. Meyer betreute ein Klinikbewertungsportal, in dem jemand unter Pseudonym eine unflätige Äußerung über eine Ärztin eingestellt hatte. Im entsprechenden Portal musste man sich gegenüber dem Forenbetreiber mit authentischem Namen registrieren. Zwar hatte Meyer den Beitrag gemäß § 6 Telemediengesetz ab Kenntnis gelöscht, will jedoch nicht als Zeuge den Forenteilnehmer verpetzen.

Meyer ist der Ansicht, dass auch Forenredakteuren ähnlich wie Journalisten Quellenschutz und Zeugnisverweigerungsrechte zustehen (sollten). So dürfen Journalisten etwa in Zivilprozessen nach § 383 Abs. 1 Satz 5 ZPO und sogar in Strafprozessen nach § 51 Abs. 1 StPO über die Person des Verfassers oder Einsenders von Beiträgen und Unterlagen oder des sonstigen Informanten sowie über die ihnen im Hinblick auf ihre Tätigkeit gemachten Mitteilungen, über deren Inhalt usw. die Aussage verweigern. Allerdings gelten diese Privilegien nur, soweit es sich um Beiträge, Unterlagen, Mitteilungen und Materialien für den redaktionellen Teil oder redaktionell aufbereitete Informations- und Kommunikationsdienste handelt.

Ob es sich beim Gewähren von Forenbeiträgen um vom Gesetzgeber privilegierte Inhalte handelt, ist zweifelhaft, da es an eigener Recherche und wertender redaktioneller Entscheidung fehlt, nicht einmal Kenntnisnahme vorliegt. Eine von Meyer gegen den Richter erstattete Strafanzeige wegen des Verdachts der Rechtsbeugung ist aussichtslos, da diese Strafvorschrift nur dann greift, wenn eine richterliche Entscheidung unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt Bestand haben kann. Streiten könnte man sich vorliegend allenfalls über die Verhältnismäßigkeit der Maßnahme, bei der Richter einen gewissen Spielraum haben.

Meyer hat indes auch Verfassungsbeschwerde erhoben. Im Gegensatz zu konventionellen Richtern haben Verfassungsrichter die Befugnis, über die Anwendung von Gesetzen wegen Verfassungswidrigkeit zu befinden. So könnte das Bundesverfassungsgericht im Hinblick auf die grundgesetzlich geschützte Informations-, Presse- und Meinungsfreiheit über eine Ausdehnung der genannten Privilegien auch auf Forenbetreiber nachdenken, weil auch Forenbeiträge heute ein wichtiger und damit zu fördernder Bestandteil öffentlicher Informationsquellen sind. Die Erfolgsaussichten der Verfassungsbeschwerde sind allerdings gering, denn anders als bei der Störerhaftung der Forenbetreiber für Beiträge Dritter ab Kenntnis hiervon wird von Journalisten ein verantwortliches Handeln vor der Veröffentlichung erwartet. Professionelle Journalisten bzw. Medienunternehmen, die Zeugnisverweigungsrechte wahrnehmen dürfen, haften bei offensichtlich verletzten Persönlichkeitsrechten selbst für ihre eigenen Inhalte.

Die Verfassungsbeschwerde hat keine aufschiebende Wirkung, so dass Meyer nun wohl seine Beugehaft antreten muss. Möchte ein Forenbetreiber seiner Klientel effizient Anonymität garantieren, so sollte er von vorne herein darauf verzichten, die Personalien aufzunehmen.

Ein ähnlicher Fall hatte im Januar zu einer Hausdurchsuchung bei der Augsburger Allgemeinen Zeitung geführt, weil man auch dort die Preisgabe der Identität eines Forenkommentators unter Hinweis auf die Meinungsfreiheit verweigerte. In dem anonymen Kommentar war einem Ordnungsreferenten "Rechtsbeugung" vorgeworfen worden. Die Durchsuchung in den Redaktionsräumen und die dort erfolgten Beschlagnahmungen dürften mit dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz und dem grundgesetzlich privilegierten Stellenwert der Presse schwerlich in Einklang zu bringen sein. Anders als im Duisburger Fall ging es in Augsburg zudem um einen wertenden Kommentar eines vermutlich Rechtsunkundigen, der von der Meinungsfreiheit gedeckt sein dürfte.

Update: Nunmehr wurde ein Beschluss des Landgerichts Augsburg veröffentlicht, der die Durchsuchung für rechtswidrig erklärt. Ausschlaggebend war für das Gericht, dass der Kommentar eine zulässige Meinungsäußerung darstellt. Keine Privilegierung sah das Gericht in der Tatsache, dass mit der Durchsuchung der Redaktionsräume die Pressefreiheit tangiert wurde. Die Entscheidung und insbesondere zur Haftung für Leserbriefe kommentiert Rechtsanwalt Thomas Stadler in seinem Blog.