Messias Gauck

Es reicht, Alltag ist angesagt - ein Kommentar

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Es nervt. Jetzt haben wir den Bundespräsidenten, den angeblich die Deutschen vor zwei Jahren schon wollten, als Union und FDP sich gegen Gauck entschieden, weil er von den falschen Parteien vorgeschlagen wurde. Nach dem Fiasko Wulff, dem Langeweiler und Egoisten mit den vielen Freunden und ihren Geschenken, nun also der Superman, der alles gut macht, irgendwie.

Widerlich ist vor allem, wie die Medien Gauck rauf und runter feiern, scheinbar kritisch, da darf dann auch schon mal eine Gesine Lötzsch oder ein Klaus Ernst von den Linken irgendwie Vorbehalte äußern. Gehört ja dazu, vor allem zum inszenierten Dialog. Uns Deutsche interessiert im Wesentliche derzeit, wie der machtlose Bundespräsident sich inszenieren wird. Ändern wird das politisch nichts.

Im Hintergrund scheint aber etwas anderes zu laufen. Während der CDU-Politiker Wulff mit seiner jungen Frau abgesägt wurde, stellvertretend für die Politiker und ihren Umgang mit der Macht, wuchs anscheinend die Hoffnung auf einen Außenseiter, der moralisch integer ist. Aus der Politikerkaste ließ sich niemand vorzaubern, also konnte die FDP ihren Coup lancieren, dem niemand wirklich widersprechen konnte, ohne sich unglaubwürdig zu machen. Eine Suche nach einem neuen Gesicht fand nach dem Rücktritt von Wulff gar nicht erst statt.

Die Alternativlosigkeit von Gauck wird aber nicht als Zwang und Knappheit bezeichnet, sondern als Chance gefeiert, obgleich schon sein Alter garantiert, dass er wenig Innovatives sagen, geschweige denn bewirken wird. Das ist pervers. In Deutschland gäbe es vermutlich viele Menschen, die ähnlich wie Gauck Bundespräsident werden könnten. Dass es ausgerechnet ein Pfarrer werden musste, verrät sicherlich etwas über die Deutschen. Sie wollen den Versöhnlichen, nicht den Kritischen, sie wollen den Mann des großen, pathetischen Wortes, nicht den Mann oder die Frau, die sich für etwas einsetzen und Kante zeigen. Jetzt haben wir also Gauck, zumindest redet er etwas weniger einschläfernd als Wulff. Aber wirklich zuhören kann man ihm (noch) nicht.