Spanien: Schwere Geschütze und Schnellverfahren gegen Downloader

Der für schwerste Verbrechen zuständige Nationale Gerichtshof in Spanien soll in nur vier Tagen Websperren verhängen können.

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Die sozialistische spanische Regierung plant, mit schweren Geschützen gegen das illegale Herunterladen von geschützten Dateien vorzugehen. Allerdings, so hat das Kabinett nun beschlossen, soll die Justiz nicht völlig ausgeschaltet werden, um Websperren zu verhängen. Bisher war geplant, in einer versteckten Reform, getarnt im Gesetz für eine "nachhaltige Wirtschaft", einer "Kommission für geistiges Eigentum" die Kompetenz zu geben, eigenhändig Websites zu sperren.

Vor dieser Kommission, die im Kultusministerium angesiedelt wird, sollen nach dem Entwurf die Betroffenen nun Anzeige erstatten. Die "Experten für Urheberrecht und Internet" sollen die Vorgänge prüfen und sich dann an einen Richter wenden, der in vier Tagen die Schließung anordnen soll. Erstaunlich ist, dass in einer zivilrechtlichen Frage ausgerechnet der Nationale Gerichtshof zuständig sein soll. Dieses Sondergericht ist eigentlich nur für schwerste Delikte zuständig.

Da die Kommission ermittelt, spricht die Kultusministerin Ángeles González-Sinde von der "Verwaltung und den Richtern", die "schnell handeln sollen". Sie begründet den Vorstoß mit dem Kampf gegen die, "die sich illegal bereichern und andere ausnutzen". Sie macht mit dem Gesetzesvorstoß deutlich, dass die Bedeutung der Justiz klein gehalten werden soll. Sonst führt ein Ermittlungsrichter an dem Gerichtshof die Ermittlungen und keine Kommission und die Ermittlungen beschränken sich normalerweise nicht auf vier Tage.

Erstaunlich ist, dass sich dieser Gerichtshof mit etwas beschäftigen soll, was in Spanien hurto genannt wird. Wenn jemand in Spanien in einen Laden geht und eine CD, eine DVD, ein Buch oder einem anderen sogar die Brieftasche klaut, dann ist das normalerweise keine Straftat und wird, wenn überhaupt, mit einem Bußgeld geahndet. Dabei muss es sich um die "illegitime Aneignung eines Gegenstands" handeln ().

Eine Straftat wird es, wenn dies unter "Anwendung von Gewalt" oder "Bedrohung" aufgeführt wird oder der Wert über 400 Euro liegt. Alles andere wird als Bagatellfall angesehen, was sich ganze Banden von Taschendieben zu nutze machen. Viele Touristen können davon ein Liedchen singen. Doch das soll so bleiben, dafür soll auch kein verfassungsausführendes Gesetz geändert werden, denn das ist notwendig, damit das Sondergericht im Dienste des Urheberrechts tätig werden kann. Die Sperrung von Websites hingegen droht sogar schon, wenn sich auf diesen nur Links zu Tauschbörsen oder auf urheberrechtlich geschützte Dateien finden, also nicht einmal die geschützten Dateien bereitgestellt werden.

Deshalb, so meint die Vereinigung der Netizen (AI), könnten mit diesem Entwurf sogar Suchmaschinen wie Google abgeschaltet werden, weil sie Links auf Webseiten zum Download von Filmen, Musik und Büchern zeigen. Für den AI-Präsident ist klar, dass sich die Regierung auf "verschlungene Pfade" begebe und es sich um keine Straftaten handele, wie normale Richter immer wieder festgestellt hätten. AI plant weitere Proteste, um das Gesetz auf dem Weg durch die Institutionen zu Fall zu bringen.

Tatsächlich hatte sogar die regierungsnahe Zeitung El País erst kürzlich diverse Urteile von Richtern aufgelistet, die es als nicht strafrechtlich relevant ansahen, Links auf Downloads zur Verfügung zu stellen. Die Richter gingen sogar noch deutlich weiter. Sich zu bereichern, müsse als "Gewinnstreben im strikten Sinne eines Geschäftsgewinns interpretiert werden" und nicht allein dadurch, dass irgendein "Vorteil, Gewinn oder Erlös" erzielt wird. Nur im ersteren Fall handele es sich um eine strafbare Handlung, zitiert die Zeitung ein Urteil.

Letztlich wird deutlich, dass sich die Sondergerichtsbarkeit, die oft nach politischen Vorgaben der jeweiligen Regierung handelt, auf immer weitere Bereiche der Gesellschaft ausweiten will. Das zeigt sich gerade auch am Fall der geschlossenen Zeitung Egunkaria. Dass dieser Gerichtshof sogar Zeitungen illegal schließen und ein Satiremagazin beschlagnahmen lässt, lässt für die mögliche Schließung von Websites wenig Gutes erwarten. Auch wenn nach vielen Jahren normale Gerichte – auf dem sehr langsamen Rechtsweg – feststellen, dass keine Straftaten vorlagen oder es, wie im Fall der Zeitung Egin, keine Begründung für ein Verbot gab, ist der Schaden da und die Meinungsfreiheit beschnitten. Wo das Handeln dieser Ermittlungsrichter inopportun ist, wie im Fall von schweren Menschenrechtsverletzungen, weil es zu diplomatischen Verwicklungen führen kann, schiebt man ihnen einen Riegel vor und schafft schnell sogar die universelle Gerichtsbarkeit ab.