Mordmotiv Zensur

Mexikanische Drogenkartelle schüchtern Internetnutzer ein

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Dass Blogger, die gegen die Zensur arbeiten, in autoritären Ländern bzw. solchen mit einer repressiven Medienpolitik, von Vertretern der Staatsgewalt festgenommen und hinter Gitter gesetzt werden, darauf machen regelmäßige Organisationen wie Reporter ohne Grenzen aufmerksam. In der Hoffnung, dass die Öffentlichkeit in bekannten Fällen hilft, die Blogger wieder frei zu bekommen.

Meist vergeblich, wie zum Beispiel die Fälle Maikel Nabil Sanad ( Alte Tricks und rote Linien im neuen Ägypten) und [http://www.reporter-ohne-grenzen.de/index.php?id=65&tx_ttnews[tt_news]=764&tx_ttnews[backPid]=59#764 Hossein Derakhshan] und unzählige andere zeigen ( Iran: Blogger zu 19 Jahren und sechs Monaten Haft verurteilt). Die Öffentlichkeit vergisst solche Schicksale. Wer erinnert sich noch an Hossein Derakhshan, der doch immerhin international publizierte und als "Godfather der iranischen Blogs" eine Berühmtheit war?

In Mexiko weist ein grausamer Fund auf ein neues Phänomen hin. Hier ist es nicht die Staatsgewalt, die sich an missliebigen Informationen aus sozialen Netzwerken und Blogs stößt, welche die "nationale Sicherheit" untergraben, die öffentliche Ordnung stören, religiöse Gefühle verletzen oder Spionage betreiben. Sondern es sind augenscheinlich Drogenkartelle, die für den Tod zweier junger Menschen verantwortlich sind, deren Leichen vergangene Woche aufgehängt an einer Brücke gefunden wurden.

Warnungen, angebracht am Bein der männlichen Leiche und auf einem großen Zettel an der Brücke, wonach dies künftig jedem passieren werde, der übers Internet jemanden "verpfeift" ("Internet snitches"), lassen mit großer Wahrscheinlichkeit darauf schließen, dass die Mörder aus den Reihen einer Drogenbande stammen. Zumal die Warnung mit einem bekannten Kürzel unterzeichnet wurden.

Namentlich genannt werden die Blogs wie Frontera al Rojo Vivo, El Blog del Narco, beides populäre Websites, wo Internet-User anonym Kommentare und Informationen in Verbindung mit dem blutigen Drogengeschäft posten und Denuncia Ciudadano, eine Seite, welche die Regierung eingerichtet hat, um Gelegenheit für anonyme Hinweise zu geben.

Laut Medienberichten füllen die Blogs zusammen mit bestimmten Twitteraccounts und Blogs von Journalisten wichtige Lücken, welche die etablierten Medien bei ihrer Berichterstattung über den sogenannten Drogenkrieg offen lassen - nicht selten weil die Journalisten eingeschüchtert wurden.

In den Blogs werden etwa die Opfer der kriminellen Vereinigungen genannt und dokumentiert, zum Teil mit harten Fotos. Damit wird die Brutalität der Kartelle offensichtlich und auch das erschreckende Ausmaß der Gewalt. Die Toten werden kenntlich, sind keine anonymen Opfer mehr, die in kurzen Meldungen mit dem Alter in Klammern genannt und vergessen werden und die Grausamkeit der Banden wird so kenntlich gemacht, dass sie nicht zu beschönigen ist. Der Blut-Preis für ihre Geschäfte wird sichtbar. Das ist den Verbrechern offensichtlich ein Dorn im Auge.