USA: 2,3 Millionen Menschen sitzen hinter Gittern

Ein Bericht warnt vor den "Kollateralschäden" des amerikanischen Straf- und Gefängnissystems

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Die USA haben weltweit sowohl absolut als auch relativ zur Bevölkerung die größte Gefängnispopulation. 2009 saßen 1,7 Millionen Menschen ihre Strafe in staatlichen Bundesgefängnissen ab. 750 von 100.000 US-Bürgern sind Häftlinge, das ist etwa 1 Prozent der Erwachsenen. Allerdings ist die Zahl in Wirklichkeit höher. Rechnet man alle Häftlinge aus lokalen Gefängnissen hinzu, dann steigt die Zahl der Häftlinge auf 2,3 Millionen.

Besonders hart trifft es die Schwarzen. Von den männlichen Schwarzen sind 4.749 von 100.000 im Gefängnis, sechs Mal so viel wie bei den Weißen (708) und 2,6 Mal so viel wie bei den Latinos (1.822). Auch bei den Frauen ist der Anteil der Schwarzen mit 333 auf 100.000 US-Bürger zweimal so hoch wie bei den Latino-Frauen (142) und 3,6 Mal höher als bei den weißen (91).

Manche argumentieren, dass durch das Gefängnissystem die Zahl der Arbeitslosen kleiner gehalten wird ( Gefängnisse als arbeitsmarktpolitische Maßnahme). Andere sehen in ihm eine Folge des Abbaus des Sozialstaats in den 1980er Jahren ( Vier Strategien zur Eindämmung der Gefängniskosten. Seit den 1980er Jahren hat sich die Gefängnispopulation von damals 500.000 auf jetzt 2,3 Millionen mehr als vervierfacht.

Ein Bericht des Economic Mobility Project, das dem Pew Research Center angehört, weist nicht nur auf die weltweit höchste Gefängnispopulation hin, sondern macht auch auf die vielen Kollateralschäden aufmerksam. So würden die Bundesstaaten mittlerweile jährlich mehr als 50 Milliarden Dollar für die Gefängnisse ausgeben, was 1/15 der Gesamtausgaben entspricht. Damit werden u.a. Ausgaben für soziale Belange, etwa auch für die Resozialisierung beschnitten, wobei ein hoher Teil der Gefängnisstrafen wegen Drogen- und Alkoholdelikten verhängt wird. Problematisch aber sei vor allem, dass von jedem 28sten Kind (2,7 Millionen bzw. 3,6%) ein Elternteil im Gefängnis ist, vor 25 Jahren war dies nur bei jedem 125sten Kind der Fall. 54 Prozent der Gefangenen sind Eltern von minderjährigen Kindern.

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Die meisten Häftlinge, zwei Drittel, hatten vor dem Gefängnis einen Job, nach der Entlassung ist es schwierig, wieder eine Arbeit zu finden. Meist ist sie schlechter bezahlt (durchschnittlich jährlich 40 Prozent weniger) und es gibt kaum Aufstiegschancen. Die finanziellen Folgen schlagen auf die Familien durch, die Kinder sind von der Abwesenheit eines Elternteils und der schwierigen finanziellen Lage besonders betroffen. Zudem wird die Schulbildung häufig dadurch beeinträchtigt – und geringere Schulbildung erhöht in allen Bevölkerungsgruppen das Risiko, straffällig zu werden.

Das führt vermutlich dazu, dass Kriminalität vor allem bei den Schwarzen gewissermaßen "vererbt" wird. Von 12 schwarzen Männern im arbeitsfähigen Alter befinden sich einer im Gefängnis, bei den Weißen ist das Verhältnis 1:87. Von den jungen schwarzen Männern ohne High-School-Abschluss zwischen 20 und 34 Jahren sind 37 Prozent im Gefängnis, während nur 26 Prozent einen Job haben. Jedes neunte schwarze Kind hat ein Elternteil, das im Gefängnis ist.

Die wirtschaftliche Mobilität ist in den USA sowieso nicht besonders hoch, wird aber durch die hohe Gefängnispopulation mit einem hohen Anteil von Drogendelikten noch einmal verschlechtert. 42 Prozent der Menschen, die im ärmsten Fünftel der US-Gesamtbevölkerung in ihrer Jugend angehört haben, bleiben auch später in dieser Schicht. 54 Prozent derjenigen, deren Eltern dem ärmsten Fünftel angehören, steigen auch als Erwachsene nicht aus dieser Schicht auf. Mit einer besseren Bildung verbessert sich das aber deutlich. Kinder, von denen ein Elternteil eine Gefängnisstrafe abbüßt oder abgebüßt hat, fallen schneller aus der Schulbildung heraus oder werden viel häufiger von den Schulen ausgeschlossen.