Eltern zahlen für betrunkene Kinder?

Der CDU-Gesundheitspolitiker Jens Spahn will im Kampf gegen das Komatrinken Krankenhäuser entlasten und Eltern an ihre Verantwortung erinnern

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Zum Aschermittwoch serviert der gesundheitspolitische Sprecher der Unionsfraktion, Jens Spahn, einen pädagogischen Einwurf: Es sei nicht weiter hinnehmbar, dass durch Jugendliche, die so stark betrunken sind, dass sie stationär behandelt werden müssen, unnötig Personal und Geld im Gesundheitswesen gebunden werden. Also sollten sich künftig Eltern mit 100 Euro an den Kosten beteiligen. Der übergeordnete Sinn besteht darin, "Eltern an ihre Verantwortung zu erinnern". Das Geld solle direkt an die Krankenkassen gehen.

Spahn argumentiert mit der stark steigenden Zahl jugendlicher Komatrinker, die in deutschen Krankenhäusern eingeliefert werden. Eine Meldung des Bundesamts für Statistik von Anfang Februar, wonach die Zahl der mit einer Alkoholvergiftung in ein Krankenhaus eingelieferten Kinder und Jugendlichen im Jahr 2011 gegenüber dem Vorjahr angestiegen ist, dürfte zusammen mit dem Aschermittwoch-Wahlkampf den Anlass für Spahns Vorschlag gegeben haben.

Der Anstieg von 1,4 Prozent im Vergleich zum Vorjahr entspricht nicht ganz der Dramatik, die Spahn seinem Wahlkampf-Vorschlag unterlegt. In absoluten Zahlen lässt sich aus der Statistik schließen, dass "an einem durchschnittlichen Tag 72 Jugendliche ins Krankenhaus kommen, weil sie bis zum Unfallen getrunken haben" ( BR 5). Das würde bei 100 Euro elterlichem Kostenzuschuss 7.200 Euro ergeben. Ob den Krankenkassen damit geholfen ist?

Und die Pädagogik? Familien mit wenig bis mittlerem Einkommen spüren 100 Euro deutlich, aber ob sie mit der Androhung eines solchen Bußbeitrags eine Autorität gewinnen, die der Gesundheitspolitiker von ihnen erwartet? Jugendliche, die in Gruppen unterwegs sind, dürften von solchen Bußgeldwarnungen kaum beeinflusst werden. Und eine Erziehung, die sie davon abhält, sich dauerhaft schädigend zu betäuben und zu vergiften, baut auf andere Maßstäbe, als die, die mit solchen effekthascherischen Sanktionen auf Aufmerksamkeit nach dem Motto "Wir tun etwas" zielt und vorgaukelt, das Problem wäre einfach zu lösen. Eltern, die ihr Kind im Krankenhaus abholen, müssen nicht durch die Androhung einer 100 Euro-Strafe an ihre Verantwortung erinnert werden. Der Schock dürfte groß genug sein und die Sorgen auch.