42 Prozent arbeitslose Jugendliche und die "Barbarei" der Troika

Portugal und Spanien führen internationale Proteste gegen die Troika-Sparpolitik an

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In Portugal und Spanien fand der Aufruf zu internationalen Protesten gegen den Troika-Sparkurs eindeutig den stärksten Widerhall (vgl. hier). Am späten Samstag gingen zahllose Menschen auf der iberischen Halbinsel auf die Straßen. In Spanien fanden Märsche in mehr als 80 Städten und im benachbarten Portugal in etwa 20 Städten statt. Die größten Aufmärsche gab es in den Hauptstädten Madrid und Lissabon. In der portugiesischen Hauptstadt wurde die Idee geboren, europaweit gegen die Sparauflagen der Troika aus EU-Kommission, Internationalen Währungsfonds (IWF) und Europäischer Zentralbank (EZB) aufzustehen. Gleichzeitig wurde auch in Frankfurt gegen die EZB demonstriert (vgl. Polizei unterbindet Proteste gegen Krisenpolitik).

Zwar zogen viele Menschen durch portugiesische Straßen, die Beteiligung blieb aber deutlich hinter der im vergangenen März zurück. Dem Aufruf der Empörten-Bewegung waren damals mit etwa 1,5 Millionen Menschen fast 15 Prozent der Bevölkerung gefolgt. Die Aktion "Que se lixe a troika" (Zum Teufel mit der Troika) räumte ein gewisses Abwarten, ein Abschwächen der Mobilisierungsbereitschaft ein. Belandina Vaz vermutete, die Menschen seien "müde", weil die Regierung nicht auf sie reagiere. Sie glaubt aber nicht, dass der Zenit überschritten ist und es erneut sehr starke Proteste geben wird.

Die Koordinatorin der Gruppe Catarina Martins misst der geringeren Beteiligung weniger Bedeutung zu. Sie unterstrich die "Symbolkraft" des gemeinsamen Protests in ganz Europa. Das hebt auch der Ökonom Francisco Louçã hervor. Der Politiker des Linksblocks verwies während der Demonstration darauf, dass diesmal keine Troika-Vertreter in Portugal waren, was die Menschen anheize.

Lissabon: "IWF raus"

In Lissabon zog die Demonstration zum Büro des Internationalen Währungsfonds (IWF) in der Allee der Republik, das von einem massiven Polizeiaufgebot geschützt wurde. Zu den erwarteten Ausschreitungen kam es aber nicht. An dem Büro ließ sich die graue Eminenz der portugiesischen Politik die Teilnahme nicht nehmen. Der ehemalige sozialistische Ministerpräsident Mario Soares wurde stürmisch beklatscht, während die Demonstranten an dem Wagen vorbeizogen, in dem der 89-jährige saß. "IWF raus", wurde derweil skandiert.

Auch Soares fordert den Rücktritt der konservativen Regierung unter Pedro Passos Coelho. Er forderte Präsident Aníbal Cavaco Silva auf, das Parlament aufzulösen und Neuwahlen anzusetzen. Soares, bis 1996 ebenfalls Präsident Portugals, warnte seinen Nachfolger schon am Freitag auf einer Konferenz. Sonst könne er dafür verantwortlich sein, wenn die Portugiesen "ihre Geduld und Friedfertigkeit verlieren" und die Proteste in Gewalt umschlagen. Die Konferenz stand unter dem Motto: "Befreit Portugal von der Austerität". Soares warf Coelho in seiner Rede vor, mit der von der Troika verordneten Austeritätspolitik das Land "zu zerstören" und seine Bewohner zu "massakrieren".

Portugal durchlebt die tiefste Rezession seit der Nelkenrevolution 1974. Die Arbeitslosigkeit ist im ärmsten Land der Eurozone auf den Rekordwert von fast 18 Prozent und bei Jugendlichen auf über 42 Prozent gestiegen. Nach Angaben der Caritas hungern immer mehr Menschen. Dabei scheitert die Regierung auch beim Abbau des Haushaltsdefizits. Es stieg 2012 wieder um zwei Punkte auf 6,4 Prozent, womit die Staatsverschuldung schon auf gefährliche 124 Prozent der Wirtschaftsleistung angeschwollen ist.

Auf der Demonstration in Lissabon rief der Chef des großen Gewerkschaftsverbands CGTP. Arménio Carlos zum Generalstreik am 27. Juni auf, um die Regierung zu stürzen. Das ist mit dem sozialdemokratischen Verband UGT abgestimmt. Die Zustimmung der UGT-Führung am Montag gilt als Formsache. Nur selten streiken beide rivalisierenden Verbände gemeinsam, doch auch der UGT ist der Kragen geplatzt, da erneut Renten gekürzt, 30.000 Beschäftigte im öffentlichen Dienst entlassen und die Arbeitszeit von 35 auf 40 Stunden erhöht werden sollen.

Madrid - Tsipras warnt: "Alles was in Griechenland passiert ist, wird auch hier passieren"

"Generalstreik, Generalstreik" wurde auch auf den in Spanien skandiert. Da sich die großen Gewerkschaften schon im vergangenen November dem Aufruf der CGTP angeschlossen hatten, kam es erstmals zu einem gesamtiberischen Generalstreik. Das könnte sich wiederholen. An der Demonstration in Madrid nahm der Parteichef der griechischen Syriza-Partei teil. Alexis Tsipras führte an der Seite des Chefs der Vereinten Linken (IU), Cayo Lara, die Demonstration gegen die Troika und die konservative Regierung an. "Alles was in Griechenland passiert ist, wird auch hier passieren", warnte Tsipras.

Er sprach aber von einer "historischen Chance", mit einem breiten gemeinsamen Widerstand in Europa die "Barbarei" zu stoppen und hält linke Alternativen für möglich. Syriza wurde 2012 zweitstärkste Kraft. Der Widerstand gegen Kürzungen in der Bildung, gegen die Privatisierung des Gesundheitswesens, Zwangsräumungen, Arbeitsmarkt- und Rentenreformen werde andauern, kündigte der IU-Chef an. "Wir werden angesichts dieser Politik im Dienst des Finanzkapitals nicht resignieren, die sich gegen die Rechte der Bevölkerung richtet." Die Troika und die Technokraten, die niemand gewählt habe, werden nicht gewinnen, sagte er.