Beate Merk: Keine Verletzung der Grundrechte im Fall Mollath

Bayerische Justizministerin äußert sich zur Verfassungsbeschwerde, Abschlussbericht der Opposition zum Untersuchungsausschuss liegt vor

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Die bayerische Justizministerin Beate Merk (CSU) sieht im Fall Gustl Mollath keine Verletzung der Grundrechte. Das geht aus einer Pressemitteilung der Ministerin hervor.

Merk hatte bereits am Freitag vergangener Woche eine Stellungnahme an das Bundesverfassungsgericht in der Causa Mollath abgegeben. Das Gericht hatte die Ministerin und die Bundesanwaltschaft um eine Stellungnahme gebeten, da ihm seit Januar 2012 eine Verfassungsbeschwerde vorliegt. In der Pressemitteilung von Merk heißt es, dass im Fall Gustl Mollath bis im Jahr 2011 keine Grundrechte von Mollath verletzt worden sein sollen. Außerdem betont die Ministerin ausdrücklich gegenüber dem Gericht, dass sie es gewesen sei, die den Wiederaufnahmeantrag der Staatsanwaltschaft veranlasst und damit die Möglichkeit geschaffen habe, die Vorwürfe, die zur Unterbringung von Herrn Mollath geführt haben, erneut zu überprüfen."

Erika Lorenz-Löblein, die Verteidigerin von Mollath, kritisiert das Vorgehen der Ministerin. Gegenüber Telepolis sagte die Strafverteidigerin, das Verhalten der Ministerin vor dem Landtag habe eine andere Sprache gesprochen. Merk habe, so Lorenz-Löblein, einerseits aus der Verteidigungsschrift ihres Mandanten berichtet, aber die Faxanweisungen für Schweizer Nummernkonten und den Briefverkehr mit der Bank unerwähnt gelassen. Hier sei der Landtag von der Ministerin getäuscht worden, echter Aufklärungswille sehe anders aus.

"Ich meine, die Ministerin hat nur einen günstigen Zeitpunkt abgewartet, um dann die Kehrtwende nach außen hin vertreten zu können. Es sollte ihr als Justizministerin klar sein, dass Befangenheit eines Richters ein Wiederaufnahme-Grund ist", sagte Lorenz-Löblein.

Erst am Montag hat die Anwältin Merk angeschrieben und die Ministerin auf eine Fehldarstellung aufmerksam gemacht, die sich Merk gegenüber dem Politmagazin Kontrovers des Bayerischen Rundfunks geleistet hat.In dem Schreiben heißt es:

"Im Kontrovers-Interview gaben Sie an, dass die Ärzte Herrn Mollath nach wie vor für gefährlich halten würden. Im Anhörungstermin am 18.04.2013 hatte Herr OA Dr. Zappe auf meine Frage, woraus er auf eine Gefährlichkeit schließen würde, geantwortet... (es) habe keine Situation gegeben, die einen Rückschluss auf eine Gefährlichkeit des Herrn Mollath zulasse. Vielmehr habe Herr Mollath eine Therapie verweigert, deshalb werde die Diagnose seit Jahren fortgeschrieben. Prognosegrundlage seien nur die drei Anlasstaten. Ihnen ist sicher bekannt, dass eine Prognose grundsätzlich nur mit einer Rückschau auf einen Jahreszeitraum erfolgt. Im Fall des Herrn Mollath werden jetzt angelastete Taten aus 2001,2002 und 2005 als Prognosegrundlage herangezogen; die Täterschaft ist aufgrund neuer Erkenntnisse erheblichen Zweifeln ausgesetzt."

Lorenz-Löblein sagte, es mag sein, dass die Ministerin zunächst noch unzureichend oder falsch über den Fall informiert war, aber das könne nicht mehr für jetzt gelten. Die Anwältin sagt weiter, sie selbst habe bei Anrufen im Justizministerium Anfang Dezember des vergangenen Jahres den Eindruck bekommen, dass überhaupt kein Interesse an wahren Informationen bestehe. Bei einem ersten Gespräch mit dem persönlichen Referenten von Merk, habe sich dieser zunächst interessiert gezeigt, aber in einem dann weiter folgenden Telefonat sei das Gegenteil der Fall gewesen.

Lorenz-Löblein widerspricht auch der Argumentation Merks, wie sie in der Stellungnahme an das Bundesverfassungsgericht zu finden ist. Merk geht davon aus, dass die Gerichte an das rechtskräftige Urteil aus dem Jahr 2006, welches der umstrittene Richter Otto Brixner gefällt hat, gebunden sind. Mollaths Verteidigerin kontert, die Strafvollstreckungskammer könne feststellen, dass aus tatsächlichen Gründen eine Fehleinweisung vorliegt.

"Wäre es tatsächlich so, dass das Gericht stets an die 'Feststellungen' im Urteil gebunden wäre, könnte niemals eine Erledigterklärung wegen Fehleinweisung erfolgen", sagt Lorenz-Löblein. Völliges Unverständnis zeigt die Anwältin auch in Bezug auf die Aussage Merks, Mollaths Grundrechte seien nicht verletzt worden:

"Die Grundrechte meines Mandanten wurden in diesem Verfahren unzählige Male verletzt. Das Gutachten von Dr. Leipziger wurde von mehreren Psychiatern widerlegt. Auf der Webseite ist eine weitere kurze Stellungnahme eines Psychiaters veröffentlicht. Ich habe Ihnen im ersten Interview vor einigen Wochen gesagt, es ist für mich eine Frage der Fehlerkultur. Ich vermisse in diesem Fall ein gutes Beschwerde- und Fehlermanagement. Das ist besonders bedauerlich, weil es auf Kosten der Freiheit eines Mitmenschen geht."

Wie schwer die Fehler im Fall Mollath sind, ist nun auch im Minderheitenbericht der Opposition zum Mollath-Untersuchungsausschuss festgehalten. Spiegel Online fasst die Fehler zusammen:

  • Vertuschung durch das Justizministerium - so seien Informationen der Ministerin an den Landtag und gegenüber der Öffentlichkeit "stets einseitig und zu Lasten Herrn Mollaths dargestellt" worden.
  • Einseitige Ermittlungen der Staatsanwaltschaft, weil Anzeigen von Mollath "nicht ernsthaft geprüft wurden".
  • Viel zu späte Ermittlungen der Finanzbehörden - diese seien erst 2012 aufgenommen worden, dabei hätte die Anzeige Mollaths aus dem Jahr 2003 dafür bereits ausgereicht.
  • "Haarsträubende Fehler" des Landgerichts Nürnberg-Fürth.

Die Regierungsparteien kommen in ihrem Bericht jedoch zu einem anderen Fazit. In dem Bewertungsteil des Berichts, der Telepolis vorliegt, heißt es, Merk habe "mit ihrer Weisung an die Staatsanwaltschaft, einen Wiederaufnahmeantrag zu stellen, alles in ihrer Macht stehende getan, um eine Wiederaufnahme des Verfahrens gegen den Zeugen Mollath anzustoßen."

Zusammengefasst kommen CSU und FDP zu dem Schluss, dass Merk, dem Präsidenten des Landesamts für Verfassungsschutz, Roland Jüptner, genauso wie Richter Otto Brixner, kein Fehlverhalten vorzuwerfen sei. "Eine "Verschwörung" von Banken, Medizinern, Politik und Justiz zum Nachteil des Zeugen Mollath hat es zu keinem Zeitpunkt gegeben, weshalb auch staatliche Stellen an einer solchen nicht beteiligt sein konnten. Schwarzgeldverschiebungen konnten bislang durch die Steuerfahndung nicht festgestellt werden", heißt es in dem Bericht.