"Sieg über die Taliban nicht möglich"

Afghanistan: "Scheitern ist keine Option", mehr Kriegsverletzte und ein geheimer zweiter Krieg

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Der US-Sonderbeauftragte für Afghanistan und Pakistan, Richard Holbrooke, ist bei den Militärs und den konservativen Kommentatoren, die schon länger seine Ablösung fordern, nicht sehr beliebt. Der "Rabauke" ( Die Zeit), der sich gerne im Scheinwerferlicht präsentiert, hat nun neues Öl ins Feuer seiner Kritiker gegossen. Dem Fernsehsender Phoenix gegenüber erklärte er, dass der "rein militärische Sieg über die Taliban in Afghanistan nicht möglich" sei: "Das müssen wir realistisch sehen."

Trotzdem habe die westliche Staatengemeinschaft aber keine andere Wahl, als in Afghanistan weiterzukämpfen: "Scheitern ist keine Option, wir müssen hier Erfolg haben", so Holbrooke.

Unterdessen verweist das Internationale Komitee vom Roten Kreuz (IKRK) darauf, dass sich die Sicherheitslage in Afghanistan dramatisch verschlechtere. Deutlich mehr Kriegsverletzte würden in Krankenhäuser eingeliefert. So habe sich die Zahl der Patienten mit Kriegsverletzungen in einem Krankenhaus in Kandahar im Vergleich zum Vorjahreszeitraum verdoppelt. Ärzte hätten in den Monaten August und September von 1000 solcher Patienten gezählt.

Bemerkenswert ist auch der Hinweis des IKRK-Sprechers Stocker auf die steigende Zahl bewaffneter Gruppen "vor allem im Norden des Landes". Aufgrund einer Analyse der im Juli bei Wikileaks veröffentlichten Dokumente (siehe NFI. 56 Killed None(None) Insurgent) kommt ein Artikel in der Septemberausgabe der Blätter für deutsche und internationale Politik zum Ergebnis, dass es in Afghanistan "zwei Kriege" gebe. Den Kampf gegen den Terror und, jenseits der öffentlichen Wahrnehmung im Westen, einen Machtkampf unter Warlords, der auch "jenseits jeder parlamentarischen Überwachung" stattfinde.

Hauptrollen spielen hier "Nordallianz-Warlords", die schon einmal gegen Karsai einen Putschversuch versucht hätten. Nach der Rückkehr zu alten außenpolitischen Vorgaben - Stabilität statt demokratische Erneuerung, Unterstützung von starken Männern (Clanchefs, Geistliche) - würde die USA-Armee Milizen der alten Nordallianz aufrüsten und gegen Karsai und dessen Bündnis mit paschtunischen Fundamentalisten ausspielen, so der Autor Marc Thörner. Sein Fazit: Die historischen Modelle der Aufstandsbekämpfung, an denen sich auch die COIN(Counterinsurgency)-Feldhandbücher des US-Militärs in Afghanistan orientieren würden, hätten erfahrungsgemäß "Staaten ohne Zivilgesellschaft" hervorgebracht - "und in der Folge gerade jenen Fundamentalismus, den man glaubt, mit immer neuen Auslandseinsätzen bekämpfen zu müssen".