Bewaffneter Bundeswehreinsatz im Inneren erlaubt

Bei einer "Ausnahmesituation katastrophischen Ausmaßes" - Bundesverfassungsgericht entscheidet, dass der Einsatz der Streitkräfte mit "spezifisch militärischen Abwehrmitteln" als letztes Mittel zulässig sein kann

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Die Bundeswehr darf laut Bundesverfassungsgericht künftig zur Gefahrenabwehr, namentlich zur "Abwehr von Terrorangriffen" im Inland unter "engen Voraussetzungen" "spezifisch militärische Waffen" verwenden, wenn eine "Ausnahmesituation katastrophischen Ausmaßes" vorliegt, entschied das Bundesverfassungsgericht heute.

Im zweiten Satz der Entscheidung heißt es:

"Artikel 35 Absatz 2 Satz 2 und Absatz 3 des Grundgesetzes schließen eine Verwendung spezifisch militärischer Waffen bei einem Einsatz der Streitkräfte nach diesen Vorschriften nicht grundsätzlich aus, lassen sie aber nur unter engen Voraussetzungen zu, die sicherstellen, dass nicht die strikten Begrenzungen unterlaufen werden, die einem bewaffneten Einsatz der Streitkräfte im Inneren durch Artikel 87a Absatz 4 GG gesetzt sind."

Hervorgehoben wird in Berichten zum Urteil, dass die Entscheidung des Plenums des Verfassungsgerichts den Einsatz spezifisch militärischer Abwehrmittel durch die Streitkräfte im Inneren an enge Auflagen gebunden ist. So soll das Gericht ausdrücklich den Einsatz bei Gefahren ausgeschlossen haben, "die aus oder von einer demonstrierenden Menschenmenge drohen". Generell sei der Einsatz nur als "letztes Mittel" ( ultima ratio) zulässig.

"Auf der Grundlage von Art. 35 Abs. 2 und 3 GG können Streitkräfte daher nur in Ausnahmesituationen eingesetzt werden, die nicht von der in Art. 87a Abs. 4 GG geregelten Art sind. So stellen namentlich Gefahren für Menschen und Sachen, die aus oder von einer demonstrierenden Menschenmenge drohen, keinen besonders schweren Unglücksfall im Sinne des Art. 35 GG dar."

In einer Grundsatzentscheidung zu dieser Frage vom 15.Februar 2006 hatte das Bundesverfassungsgericht den Einsatz von "spezifisch militärischen Waffen" im Inneren

nicht

erlaubt. Damals waren die "Bekämpfung von Naturkatastrophen" und "besonders schwere Unglücksfälle" als mögliche Einsatzgründe angeführt - wobei der Begriff des besonders schweren Unglücksfalls laut den Richtern des ersten Senats auch Vorgänge umfasse, "die den Eintritt einer Katastrophe mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit erwarten lassen".

Dieser restriktiven Haltung zum Waffeneinsatz des ersten Senats setzte der zweite Senat des Bundesverfassungsgerichts eine andere Auffassung entgegen. Die beiden Positionen konnten sich offensichtlich lange Zeit nicht annähern, weswegen Verfassungsgerichtspräsident Andreas Voßkuhle bereits im Herbst 2010 "eine Plenarentscheidung über den Inlandseinsatz von Kampfjets und Panzern" ankündigte. Mit der heutigen Plenarentscheidung zeigt sich, dass die Richter nun doch zu einer gemeinsamen Entscheidung gekommen sind.

Laut FAZ wurde die gemeinsame Entscheidung nötig, weil der Zweite Senat "auf die Klagen von Bayern und Hessen den Einsatz der Bundeswehr mit Kampfmitteln zur Unterstützung der Länder bei Katastrophen erlauben wollte".

Von politischer Seite, insbesondere aus der Union, wurde die Forderung nach einem Einsatz der Bundeswehr im Inneren immer wieder im Zusammenhang mit der Terrorismusbekämpfung im Inland erhoben ( Einsatz der Bundeswehr im Innern?).

Nachtrag

: Nachdem die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts wie auch die dazugehörige Pressemitteilung online zur Verfügung stehen, wurde der ursprüngliche Text an einigen Stellen geändert.